Ausgangslage
Das Fahren unter Einfluss von Drogen und von bestimmten Medikamenten stellt ein Problem für die Verkehrssicherheit dar. Drogen wie z. B. Cannabis, Kokain oder Amphetamine sowie psychoaktive Medikamente wie z. B. Benzodiazepine, Antidepressiva oder opioidhaltige Schmerzmittel beeinflussen das Bewusstsein, die Wahrnehmung oder den Gemütszustand.
Je nach Substanz kann der Konsum zu Schläfrigkeit, verlängerten Reaktionszeiten oder zu risikoreicherem Verhalten führen. Die kognitiven und körperlichen Fähigkeiten werden beeinträchtigt, unabhängig davon, ob die psychoaktiven Substanzen legal (psychoaktive Medikamente) oder illegal (Drogen) sind [1].
Auch andere, nicht psychoaktive Medikamente können negative Auswirkungen haben – z. B. Blutdruckmedikamente, die bei zu starker Senkung des Blutdrucks zu Schwindel führen können. Man schätzt, dass in der Schweiz und in Europa etwa ein Fünftel der zugelassenen Medikamente einen negativen Einfluss auf das Fahrverhalten haben können [2,3].
Die Bedeutung von Drogen und Medikamenten im Strassenverkehr ist jedoch nicht einfach zu beurteilen. Die diversen Drogen und Medikamente haben unterschiedliche Wirkungsmechanismen und es kommen ständig neue Substanzen hinzu. Die Wirkung von Drogen und Medikamenten auf die Fahrfähigkeit hängt zudem von einer Vielzahl von Faktoren ab, wie beispielsweise der Verabreichungsform, dem Alter und dem Gesundheitszustand der Person, der Dauer der Einnahme, dem Konsum anderer Substanzen usw. [4,5].
Verbreitung
Konsum von Drogen und Medikamenten in der Bevölkerung
Der Konsum psychoaktiver Substanzen ist in der Schweiz zwar deutlich weniger verbreitet als der Alkoholkonsum, aber keineswegs unbedeutend. In der Schweizerischen Gesundheitsbefragung von 2022 gaben 13 % der Befragten an, kürzlich eine illegale Droge oder Psychopharmaka konsumiert zu haben: 4 % hatten demzufolge in den letzten 30 Tagen eine Droge (Cannabis, Kokain, Heroin usw.) konsumiert, 9 % in den sieben letzten Tagen Psychopharmaka (Beruhigungs- und/oder Schlafmittel sowie Antidepressiva) [6,7].
Generell ist davon auszugehen, dass die Angaben zum Konsum von Drogen und Psychopharmaka eine Unterschätzung darstellen. Dies dürfte insbesondere bei den stärker stigmatisierten Drogen wie Heroin oder Kokain der Fall sein, weniger ausgeprägt bei Cannabis oder Medikamenten. Vor allem bei den härteren Drogen ist zudem davon auszugehen, dass die Konsumentinnen und Konsumenten in den Befragungen untervertreten sind.
Konsum von Drogen und Medikamenten bei den Verkehrsteilnehmenden
Gemäss der Bevölkerungsbefragung 2024 fahren in der Schweiz 2 % der Lenkerinnen und Lenker von Personenwagen (PW) zumindest ab und zu unter dem Einfluss von Drogen und 13 % ab und zu unter dem Einfluss von Medikamenten, die die Fahrfähigkeit beeinträchtigen können [8]. Die entsprechenden Anteile bei den Motorradfahrenden betragen 3 % bzw. 9 % und bei den Velo- und E-Bike-Fahrenden 4 % bzw. 13 %. Bei den Nutzenden von E-Trottinetten gaben 8 % an, zumindest gelegentlich unter Drogeneinfluss gestanden zu haben. Diese Daten beruhen jedoch auf Selbstauskünften. Die Antworten können daher durch soziale Erwünschtheit und Schuldgefühle der Befragten verzerrt sein [1].
Objektive Daten werden durch so genannte «Roadside Surveys» gewonnen (siehe Hinweis 1). In den Kantonen Freiburg, Wallis und Waadt wurden solche Studien in den Zeiträumen 2006–2008 sowie 2017–2020 durchgeführt [9]. Von den 285 Proben, die im Zeitraum 2017–2020 analysiert wurden, waren 13 % positiv auf mindestens eine verkehrsrelevante Substanz.
Davon waren 5 % positiv auf illegale Drogen (insbesondere Kokain und Cannabis) und 9 % positiv auf Medikamente (insbesondere Benzodiazepine und Antidepressiva). Die Ergebnisse sind vergleichbar mit jenen des ersten Roadside Survey: Bei 11 % der rund 1000 Teilnehmenden wurde mindestens eine psychoaktive Substanz nachgewiesen; 5 % waren positiv auf illegale Drogen, 6 % auf Medikamente [9]. Die Übertragbarkeit der Resultate auf die ganze Schweiz ist jedoch fraglich.
Gefährlichkeit
Der Konsum von Drogen und die Fahrfähigkeit beeinträchtigenden Medikamenten erhöht das Unfall- und Verletzungsrisiko im Strassenverkehr deutlich. Im Rahmen des Sicherheitsdossiers «Beeinträchtigte Fahrfähigkeit von Motorfahrzeuglenkenden» wurde die Gefährlichkeit verschiedener Substanzen auf der Basis verschiedener Metaanalysen bewertet [4]. Das höchste Gefahrenpotenzial weisen Mischkonsum und Amphetamine auf (Odds ratio von 4 bis über 8, siehe Hinweis 2). Für einige Substanzgruppen wie Cannabis, Kokain oder auch Medikamente wie Opioide zeigt sich eine relativ grosse Spannbreite des Gefahrenpotenzials. Diese ist einerseits auf methodische Aspekte der Studien zurückzuführen, andererseits auch auf unterschiedliche Wirkungen verschiedener Substanzen innerhalb einer Substanzgruppe.
Unfallrelevanz
Bei 4 % der Schwerverletzten und Getöteten waren laut Unfallstatistik Drogen oder Medikamente (mit‑)ursächlich für den Unfall (Ø 2019–2023 [10]. Wie beim Alkohol muss auch bei Drogen und Medikamenten in den offiziellen Unfalldaten von einer Dunkelziffer ausgegangen werden [11].
In der Schweiz wurde mit der Einführung des neuen polizeilichen Unfallaufnahmeprotokolls im Jahr 2018 auch die Erfassung des Subtanzkonsums systematisiert. Die Dunkelziffer dürfte daher nicht mehr so hoch sein wie in früheren Jahren. Unter Annahme einer Dunkelziffer wird geschätzt, dass zwischen 5 % und 10 % aller schweren Unfälle auf Drogen und/oder Medikamente zurückzuführen sind [4].
Hinweise
- «Roadside Surveys» dienen der Ermittlung der Prävalenz psychoaktiver Substanzen bei Verkehrsteilnehmenden. Sie werden meist in Zusammenarbeit mit der Polizei im Rahmen von zufälligen Verkehrskontrollen durchgeführt. Nach der Kontrolle durch die Polizei werden die Lenkenden zur Teilnahme an der Studie eingeladen. Die Teilnahme umfasst in der Regel das Ausfüllen eines Fragebogens und die Entnahme biologischer Proben wie Speichel oder Blut, die dann im Labor auf psychoaktive Substanzen untersucht werden.
- Die Odds Ratio (OR) gibt an, um wie viel sich die Chance (Englisch: odds) für das Eintreten eines Ereignisses durch einen Einflussfaktor verändert. Zur Berechnung werden in einem ersten Schritt die Odds für ein Ereignis bei Vorhandensein des Einflussfaktors und die Odds für ein Ereignis bei Nichtvorhandensein des Einflussfaktors berechnet. «Odds» sind definiert als das Verhältnis der Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis eintritt, zu der Wahrscheinlichkeit, dass es nicht eintritt. Diese beiden Odds werden dann zueinander ins Verhältnis gesetzt (Odds Ratio). Wie das Relative Risiko kann auch die Odds Ratio einen Wert zwischen 0 und unendlich annehmen. Auch hier weist eine OR > 1 auf einen positiven Zusammenhang hin.
Quellen
[1] Organisation for Economic Co-Operation and Development OECD, Forum International des Transports. Drogues au volant: Détection et dissuasion. Paris: Organisation for Economic Co-Operation and Development OECD; 2010.
[2] Schulze H, Schumacher M, Urmeew R et al. Driving under the influence of drugs, alcohol and medicines in Europe – findings from the DRUID project. Luxembourg: European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction EMCDDA; 2012. DOI:10.2810/74023.
[3] Oesch-Storch S, Dommer Schwaller J. Teil II: Sicheres Fahren mit Medikamenten. pharmActuel; 2018(4): 22–43.
[4] Hertach P, Uhr A, Niemann S et al. Beeinträchtigte Fahrfähigkeit von Motorfahrzeuglenkenden. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2020. Sicherheitsdossier 2.361. DOI:10.13100/BFU.2.361.01.
[5] European Commission. Road safety thematic report – Alcohol and drugs. Brussels: European Road Safety Observatory ERSO; 2023.
[6] Bundesamt für Statistik BFS. Schweizerische Gesundheitsbefragung: Ergebnisse 2022: Tabelle Drogenkonsum insgesamt. Neuenburg: Bundesamt für Statistik BFS; 2024.
[7] Bundesamt für Statistik BFS. Schweizerische Gesundheitsbefragung: Ergebnisse 2022: Konsum von Psychopharmaka; 2024. https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/aktuell/neue-veroeffentlichungen.assetdetail.30305831.html. Zugriff am 05.03.2024.
[8] BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung. BFU-Bevölkerungsbefragung 2024: Jährlich wiederkehrende Befragung der Schweizer Wohnbevölkerung zu Themen im Bereich der Nichtberufsunfälle. Bern: BFU; 2024.
[9] Joye T, Déglon J, Donzé N et al. Randomly controlled drivers using minimal-invasive sampling: assessment of the drug prevalence in Western Switzerland over two time periods. BMC Public Health. 2022; 22(1): 2446. DOI:10.1186/s12889-022-14883-2.
[10] Achermann Stürmer Y, Allenbach R, Hutter M et al. Sinus 2024: Sicherheitsniveau und Unfallgeschehen im Strassenverkehr 2023. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2024. DOI:10.13100/bfu.2.536.01.2024.
[11] Vissers L, Houwing S, Wegman F. Alcohol-related road casualties in official crash statistics. Paris: International Transport Forum ITF; 2017.