Gesamtunfallgeschehen

Krankheiten als Risikofaktor bei Verkehrsunfällen

Verschiedene Krankheiten und damit verbundene funktionelle Einschränkungen (z. B. Abnahme der Sehfähigkeit) können das Unfallrisiko der betroffenen Verkehrsteilnehmenden erhöhen.
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Ausgangslage

Verschiedene Krankheiten und damit verbundene funktionelle Einschränkungen (z. B. Reduktion der Sehfähigkeit) erhöhen das Unfallrisiko. Zu den wichtigsten Erkrankungen gehören dabei zum Beispiel Epilepsien, das Schlaf-Apnoe-Syndrom, Diabetes oder Demenzen.

Die meisten Studien zum Zusammenhang zwischen Krankheiten und Verkehrsunfällen beziehen sich auf Lenkerinnen und Lenker von Personenwagen (PW). Da das Lenken von Motorfahrzeugen die Mobilitätsform mit den höchsten Anforderungen an die Verkehrsteilnehmenden ist, dürfte der Zusammenhang zwischen Erkrankungen und Verkehrsunfällen für Motorfahrzeuglenkende am bedeutsamsten sein.

Verbreitung

Für die Schweiz liegen Schätzungen zur Häufigkeit verschiedener verkehrsrelevanter Erkrankungen vor (siehe Hinweis 1). Daraus kann jedoch nicht direkt auf die Bedeutung dieser Erkrankungen für die Verkehrssicherheit geschlossen werden.

Viele relevante Fragen sind derzeit nicht beantwortet, zum Beispiel: Wie stark ist die sichere Verkehrsteilnahme der Betroffenen durch ihre Erkrankung tatsächlich beeinträchtigt? Welchen Einfluss haben allfällige Therapien? Wie viele der Betroffenen lenken überhaupt ein Motorfahrzeug? Welche Distanzen legen sie dabei zurück? Wie gross sind die Überschneidungen zwischen den verschiedenen Gruppen mit einem spezifischen Krankheitsbild?

Zu den häufigsten verkehrsrelevanten Erkrankungen gehören Augenerkrankungen, darunter vor allem der graue und der grüne Star. Vom grauen Star (Trübung der Augenlinse) sind in der Schweiz etwa 590 000 Personen ab 65 Jahren betroffen [1], vom grünen Star (Augendruckerhöhung) etwa 50 000 [2]. Unerkannt und unbehandelt können diese Erkrankungen zu Problemen im Strassenverkehr führen.

Von einem Diabetes sind ca. 500 000 Menschen betroffen [3]. Die Zahl derjenigen, die wegen des Diabetes nicht mehr sicher am Verkehr teilnehmen können, ist jedoch deutlich tiefer. Es betrifft vor allem Personen mit Folgeschäden (z. B. Nervenschädigungen) und solche mit Hypoglykämien (Unterzuckerung) [4].

Gemäss Schätzungen leben in der Schweiz 153 000 Personen mit Demenz. Jedes Jahr erhalten fast 33 000 Personen neu diese Diagnose [5]. Während bei leichten kognitiven Einschränkungen Autofahren unter Umständen noch möglich ist, ist dies bei fortgeschrittenen Stadien nicht mehr der Fall [6].

Ebenfalls etwa 150 000 Personen in der Schweiz sind von einem Schlaf-Apnoe-Syndrom betroffen. Besonders kritisch: Bei etwa der Hälfte von ihnen ist die Diagnose nicht gestellt – diesen Personen ist ihre Krankheit unter Umständen gar nicht bewusst [7]. Unbehandelt sind die Betroffenen am Tag übermüdet und darum nicht fahrgeeignet. Bei erfolgreicher Behandlung (v. a. mit der sog. Überdruckbeatmung) verschwindet die Müdigkeit und die Fahreignung ist oft wieder gegeben [8].

Rund 80 000 Personen in der Schweiz haben eine Form von Epilepsie, davon 65 000 Erwachsene [9]. Bei etwa einem Drittel handelt es sich um eine aktive Epilepsie, bei der die Fahreignung nicht (mehr) gegeben ist [9,10]. Die Fahreignung ist erst (wieder) gegeben, wenn die betroffene Person eine bestimmte Zeit (in der Regel ein Jahr) anfallsfrei ist [11].

Pro Jahr erleiden etwa 21 000 Menschen in der Schweiz einen Hirnschlag [12]. Etwa die Hälfte von ihnen erholt sich vollständig, bei 30 % bleiben Einschränkungen zurück.

Die obigen Erkrankungen treten mit zunehmendem Alter häufiger auf. Mit der Alterung der Bevölkerung dürften diese Zahlen daher weiter zunehmen.

Gefährlichkeit

In einer systematischen Übersichtsarbeit wurde der Zusammenhang zwischen 12 chronischen Erkrankungen einerseits und Unfällen von Motorfahrzeuglenkenden andererseits untersucht [14]. Für jede Einzelstudie wurde das Unfallrisiko von betroffenen im Vergleich zu nicht betroffenen Fahrzeuglenkenden erfasst (relatives Risiko).

Die Qualität der Einzelstudien (Studiendesign, Risiko von Verzerrungen der Ergebnisse) wurde ebenfalls beurteilt und berücksichtigt. Ein Zusammenhang zwischen einer Erkrankung und dem Unfallrisiko wurde dann angenommen, wenn eine oder mehrere qualitativ gute Studien ein mindestens 2-fach erhöhtes Unfallrisiko von betroffenen Motorfahrzeuglenkenden zeigte.

Die Erkenntnisse: Für sieben Erkrankungen konnte auf diesem Weg ein Zusammenhang festgestellt werden: für Alkoholkonsumstörungen, Epilepsien, bestimmte Schlafstörungen (Schlaf-Apnoe-Syndrom, Narkolepsie), verschiedene Augenerkrankungen (z. B. grüner Star), Demenz, Hirnschlag sowie Diabetes mellitus mit Nervenschäden. Bezüglich Schlaf-Apnoe-Syndrom zeigte sich zudem, dass eine Überdruckbeatmung das Unfallrisiko wieder reduziert.

Für die übrigen untersuchten Erkrankungen – eingeschränktes Hörvermögen, psychiatrische Erkrankungen, Synkopen (plötzlicher Bewusstseinsverlust) und Schädel-Hirn-Trauma – gab es keine qualitativ guten Studien, die eine Risikoerhöhung um den Faktor 2 oder mehr zeigten.

Unfallrelevanz

Verschiedene Unfallursachen im amtlichen Unfallaufnahmeprotokoll beziehen sich auf den Zustand der Person (siehe Hinweis 2). Nebst dem Einfluss von Substanzen (Alkohol, Betäubungs- und Arzneimittel) und Übermüdung und Einschlafen gehören folgende gesundheitliche Gründe dazu: Schwächezustand, verminderte Sehkraft sowie körperliche und geistige Krankheiten (siehe Hinweis 3).

Detailliertere Informationen dazu sind in den Unfallstatistiken nicht zu finden. Es ist daher nicht ersichtlich, um welche Erkrankungen es sich konkret handelt. Auch kann zum Teil nicht unterschieden werden, ob eine Ursache altersbedingt oder Folge einer Erkrankung ist (z. B. verminderte Sehkraft). Für die Unfallrelevanz werden daher Erkrankungen und altersbedingte Einschränkungen zusammengefasst.

Insgesamt werden bei etwa 3 % der schweren Personenschäden auf Schweizer Strassen die oben erwähnten gesundheitlichen Gründe als Hauptursache registriert. Am häufigsten handelt es sich dabei um einen Schwächezustand.

Medikamentenkonsum ist zudem gemäss Unfallstatistik in weniger als 1 % der schweren Personenschäden die Hauptursache. Damit sind Erkrankungen und altersbedingte Einschränkungen als Unfallursachen von deutlich geringerer Bedeutung als Alkohol, Geschwindigkeit oder Unaufmerksamkeit und Ablenkung. Allerdings ist davon auszugehen, dass ihre Bedeutung wohl etwas unterschätzt wird, da ihr Vorliegen oft nur schwierig einzuschätzen ist.

Hinweise

  1. Auf Alkoholkonsumstörungen (Abhängigkeit, Missbrauch) wird hier nicht näher eingegangen. Alkohol wird separat thematisiert.
  2. Siehe Instruktionen zum Ausfüllen des Unfallaufnahmeprotokolls, Anhang 2. Unter Unfallerfassung (admin.ch)
  3. Zudem gibt es eine Kategorie «Anderer Einflussfaktor aus medizinischer Sicht»

Quellen

[1] Universitätsspital Zürich. Grauer Star: Katarakt. https://www.usz.ch/krankheit/grauer-star/. 14.03.2024.

[2] Universitätsspital Zürich. Grüner Star: Glaukom. https://www.usz.ch/krankheit/glaukom/. 14.03.2024.

[3] Bundesamt für Gesundheit BAG. Diabetes. https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/krankheiten-im-ueberblick/diabetes.html

[4] Lehmann R, Czock A, Egli M et al. Richtlinien bezüglich Fahreignung und Fahrfähigkeit bei Diabetes mellitus: Schweizerische Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie SGED; 2017.

[5] Bundesamt für Gesundheit BAG. Zahlen und Fakten zu Demenz.

[6] Wolter DK. Beginnende Demenz und Fahreignung. Z Gerontol Geriatr. 2014;(47): 243–252.

[7] Lungenliga Schweiz. Schlafapnoe. https://www.lungenliga.ch/krankheiten-therapien/schlafapnoe#symptomeschlafapnoe. 13.03.2024.

[8] Thurnheer R. Das obstruktive (und zentrale) Schlafapnoesyndrom. Swiss Med Forum. 2018; 18(23): 482–488.

[9] Schweizerische Epilepsie-Liga. Über Epilepsie. https://www.epi.ch/ueber-epilepsie/. 14.03.2024.

[10] Schweizerische Epilepsie-Liga. Autofahren mit Epilepsie. https://www.epi.ch/ueber-epilepsie/fortgeschrittene/autofahren/. 14.03.2024.

[11] Arnold P, Bonetti C, Mathis J et al. Fahreignung mit Epilepsie. Swiss medical forum. 2019; 19(45-46): 737–740. DOI:10.4414/smf.2019.08402.

[12]  Schweizerisches Gesundheitsobservatorium Obsan. Hirnschlag. https://www.fragile.ch/hirnverletzung/schlaganfall. 20.03.2024.

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