Verletzlichkeit als Risikofaktor bei E-Trottinett-Unfällen

E-Trottinette dürfen in der Schweiz mit Geschwindigkeiten bis zu 20 km/h fahren. Diese Geschwindigkeit hat verschiedene Auswirkungen auf die Sicherheit.

Ausgangslage

Mit der zunehmenden Verbreitung von E-Trottinetten hat auch die Zahl der E-Trottinett-Unfälle zugenommen [1]. E-Trottinett-Fahrende gehören wie andere Zweiradfahrende zu den verletzlichen Verkehrsteilnehmenden. Da E-Trottinette keine Karosserie und keine Knautschzone haben, sind die Lenkenden den bei einem Unfall auftretenden Kräften direkt ausgesetzt. 

Verbreitung

Mit der zunehmenden Verfügbarkeit von E-Trottinetten sind seit einigen Jahren immer mehr E-Trottinett-Fahrerinnen und -Fahrer auf den Schweizer Strassen unterwegs. In der Schweiz wurden verschiedene Befragungen zur Nutzung von E-Trottinetten durchgeführt, teilweise im Rahmen von internationalen Erhebungen. 

In einer internationalen Befragung im Jahr 2023 gaben insgesamt 27 % der Befragten in der Schweiz an, in den letzten 12 Monaten mindestens einmal mit einem E-Trottinett gefahren zu sein [2]. 17 % gaben an, mehrmals pro Monat gefahren zu sein [3]. Andere Erhebungen ergaben tiefere Werte: Gemäss einer Befragung der Universität St. Gallen nutzen 4 % der Befragten das E-Trottinett mehrmals pro Woche bis täglich, weitere 7 % nutzen es mehrmals pro Monat [4]. In der BFU-Bevölkerungsbefragung 2024 liegen diese Anteile noch etwas tiefer: Rund 7 % der Befragten gaben an, mindestens einmal pro Jahr mit dem E-Trottinett zu fahren [5].

In der Schweiz werden private E-Trottinette und in einigen Städten auch Leih-E-Trottinette genutzt. 

Ende 2023 waren sieben Anbieter von Leih-E-Trottinetten in der Schweiz tätig [6]. Fünf dieser Anbieter stellten gemäss einem Marktmonitoring rund 10 000 E-Trottinette zur Verfügung und verzeichneten über eine Million registrierte Nutzende (darunter auch Personen, die bei mehreren Anbietern registriert sind). Mit diesen E-Trottinetten wurden insgesamt 4,9 Millionen Fahrten unternommen. 

Über die Verfügbarkeit und Nutzung privater E-Trottinette in der Schweiz liegen weniger Daten vor. Spezifische Verkaufsstatistiken für E-Trottinette scheinen nicht zu existieren [7]. 

Studien geben Hinweise darauf, dass private E-Trottinette etwas anders genutzt werden als Leihgeräte (z. B. [8,9]). Private E-Trottinette werden weniger für Freizeitaktivitäten und eher tagsüber genutzt, die Fahrten dauern länger und es wird häufiger ein Helm getragen [8]. Internationale Studien zeigen zudem, dass Besitzerinnen und Besitzer von E-Trottinetten oft mehr Erfahrung mit ihrem Gerät haben und es besser beherrschen [9].

Gefährlichkeit

Wie gefährlich eine Fahrt mit dem E-Trottinett ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab: von den Eigenschaften und dem Verhalten der Fahrerinnen und Fahrer, von den Eigenschaften des Fahrzeugs und von der Infrastruktur [10]. Beispielsweise sind ältere Personen verletzlicher als jüngere, und Personen ohne Helm erleiden oft schwerere Kopfverletzungen als solche, die einen Helm tragen.

In einigen Ländern wurde das fahrleistungsbezogene Unfallrisiko mit dem E-Trottinett berechnet. Die Studien zeigten ein höheres kilometerbezogenes Risiko auf dem E-Trottinett als auf dem Velo. Je nach Art des Risikos (z. B. Risiko eines Unfalls oder einer Hospitalisation wegen eines Unfalls) lag das Risiko um den Faktor 3 bis 10 höher [1113]. 

Kollisionen mit Motorfahrzeugen sind für E-Trottinett-Fahrende besonders gefährlich: Eine Analyse von 21 Todesfällen von Leih-E-Trottinett-Fahrenden in den USA zeigte, dass diese in fast 90 % der Fälle in Zusammenhang mit einer Kollision mit einem Motorfahrzeug standen (siehe Hinweis 1). Bei der Hälfte der Motorfahrzeuge handelte es sich um Personenwagen [14].

Gemäss den amtlichen Unfallstatistiken der Schweiz ist die Letalität (siehe Hinweis 2) bei E-Trottinett-Unfällen etwa gleich hoch wie bei den Velounfällen [1]. 

Aus verschiedenen Gründen ist es nicht ausgeschlossen, dass das Unfallrisiko auf dem E-Trottinett mit der Zeit abnimmt. Zum Beispiel nimmt die Erfahrung der Nutzerinnen und Nutzer zu, sie werden geübter im Umgang mit dem Fahrzeug. Auch die anderen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer sind sich mit der Zeit besser bewusst, dass mit E-Trottinetten zu rechnen ist und dass diese oft schneller unterwegs sind, als man meint.

Auch dürften die geltenden Regeln mit der Zeit besser bekannt sein, was zu einem Rückgang der Regelverstösse führen kann. Es gibt auch Hinweise darauf, dass die Fahrzeuge sicherer werden – z. B. durch grössere Räder oder einen tieferen Schwerpunkt.

Gemäss Angaben verschiedener europäischer Verleihfirmen ereigneten sich im Jahr 2022 in Europa mit Leih-E-Trottinetten kilometerbereinigt rund 20 % weniger Unfälle, die eine medizinische Behandlung erforderten, als 2021 [15]. Es ist jedoch zu beachten, dass diese Berechnungen nicht auf offiziellen Unfallstatistiken beruhen, sondern auf Angaben der Verleihfirmen bzw. der Nutzerinnen und Nutzer (siehe Hinweis 3) und daher mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten sind. Zudem beziehen sie sich lediglich auf Leih-E-Trottinette.

Unfallrelevanz

Die Zahl der schweren Personenschäden bei E-Trottinett-Fahrenden hat gemäss den amtlichen Unfallstatistiken in den letzten Jahren stetig zugenommen. Im Zeitraum 2019–2023 waren bei 2 % der schweren Personenschäden auf Schweizer Strassen Fahrerinnen und Fahrer von E-Trottinetten betroffen. Mehr als 90 % dieser Unfälle passierten innerorts. Der Anteil der E-Trottinett-Fahrenden an den schweren Personenschäden beträgt dort 3 %. 

Die Verletzlichkeit der E-Trottinett-Fahrenden zeigt sich unter anderem darin, dass der Anteil der schweren Personenschäden bei ihnen relativ hoch ist: 24 % der bei einem E-Trottinett-Unfall verletzten Personen sind schwer oder tödlich verletzt. Wegen der Dunkelziffer insbesondere bei leichten Unfällen dürfte dieser Anteil jedoch in Realität tiefer liegen. Bei Velofahrenden und Fussgängerinnen und Fussgängern ist dieser Anteil etwa gleich hoch, bei den Motorrad- und den E-Bike-Fahrenden ist er höher. 

Besonders gefährdet bei E-Trottinett-Unfällen sind gemäss den Unfallstatistiken ältere Personen: Ihre Letalität ist rund zehnmal höher als im Durchschnitt. Dieser Vergleich ist jedoch mit Vorsicht zu betrachten, da die Berechnung auf kleinen Zahlen beruht – was zu grossen zufälligen Schwankungen führen kann. 

Hinweise

Zu beachten ist, dass die amtliche Verkehrsunfallstatistik bei E-Trottinett-Unfällen eine hohe Dunkelziffer aufweist, insbesondere bei Alleinunfällen und Unfällen mit leichten Verletzungsfolgen. Dies erschwert verallgemeinerbare Aussagen auf Grundlage dieser Statistik.

  1. Diese Unfälle ereigneten sich in den Jahren 2018–2020. Damals wurden E-Trottinett-Unfälle in der Unfallstatistik noch nicht als solche erfasst. Quelle für die Studie sind daher Medienberichte über diese Unfälle.
  2. Kennwert für die Gefährlichkeit von Unfällen (Anzahl Getötete pro 10 000 Personenschäden)
  3. Siehe Website Micro-Mobility for Europe

Quellen

[1] Hertach P, Achermann Stürmer Y, Allenbach R et al. Sinus 2023: Sicherheitsniveau und Unfallgeschehen im Strassenverkehr 2022. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2023. DOI:10.13100/bfu.2.501.01.2023.

[2] Vias Institute, Hg. Switzerland - ESRA3 Country Fact Sheet. ESRA3 survey (E-Survey of Road users' Attitudes); 2024.

[3] Vias Institute. ESRA3 dashboard; 2024. https://www.esranet.eu/en/dashboard/. Accessed on 05.06.2024.

[4] Hohenreuther M, Herrmann A. Mikromobilität: So ist die Schweiz unterwegs. https://dievolkswirtschaft.ch/de/2022/10/mikromobilitaet-so-ist-die-schweiz-unterwegs/. 03.07.2024.

[5] BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung. BFU-Bevölkerungsbefragung 2024: Jährlich wiederkehrende Befragung der Schweizer Wohnbevölkerung zu Themen im Bereich der Nichtberufsunfälle. Bern: BFU; 2024.

[6] CHACOMO – Swiss Alliance for Collaborative Mobility. Zahlen & Fakten zum Shared Mobility Markt Schweiz; 2024. https://www.chacomo.ch/de/Zahlen-und-Fakten.php#tab_cc1ef34fc1ba81b73d31d0bd8994e637_4. Zugriff am 21.06.2024.

[7] EBP Ernst Basler Partner, Hg. Elektrische Mikromobilität: Schlussbericht; 2023.

[8] Steinemann P, Hagedorn C. E-FäG: Verkehrsplanerische Auswirkungen und zukünftige Anforderungen von E-Trottinetten; 2023. https://www.bfu.ch/media/gomluxfl/07_praesentation_pascal_steinemann_bfm_carsten_hagedorn_ost.pdf. 08.07.2024.

[9] International Transport Forum ITF. Safer micromobility. Paris: OECD Publishing; 2024. International Transport Forum Policy Paper No. 129.

[10] Huwiler K. Kurzananlyse: E-Trottinette in der Schweiz. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2024. DOI:10.13100/bfu.2.539.01.2024.

[11] Cicchino JB, Kulie PE, McCarthy Melissa L. Injuries related to electric scooter and bicycle use in a Washington, DC, emergency department. Arlington, VA: Insurance Institute for Highway Safety IIHS; 2020.

[12] Erste Unfallbilanz für E-Scooter - Was sagen die Zahlen über ihre Sicherheit aus? DLR Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Hg; 2020. https://www.dlr.de/de/aktuelles/nachrichten/2020/03/20200728_erste-unfallbilanz-fuer-e-scooter. 17.06.2024.

[13] Olsson B. E-scooter safety – Experiences from Denmark: Presentation at ETSC January 2022. European Transport Safety Council ETSC, Hg; 2022. https://etsc.eu/wp-content/uploads/Denmark.pdf.

[14] Karpinski E, Bayles E, Daigle L, Mantine D. Characteristics of early shared e-scooter fatalities in the United States 2018–2020. Safety Science. 2022; 153(6): 105811. DOI:10.1016/j.ssci.2022.105811.

[15] Micro-Mobility for Europe MMfE. Injuries on shared e-scooters and e-bikes in 2022. Brussels; 2023. https://mcusercontent.com/6df6fe5707bd75915c179dcc1/files/fc5d1220-ee2a-881d-76b0-e3467f231d5d/MMfE_2022_incident_data_1_pager.pdf. Access on 22.08.2024.

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