Ausgangslage
Alkohol gehört zu den Hauptursachen für Strassenverkehrsunfälle. Alkoholkonsum beeinträchtigt die Fahrfähigkeit erheblich: Aufmerksamkeit und Sehvermögen nehmen ab, die Reaktionszeit verlängert sich und Risikobereitschaft und Müdigkeit nehmen zu.
Die negativen Auswirkungen von Alkohol auf sensomotorische Koordinationsleistungen (z. B. auf den Gleichgewichtssinn) stellen für Motorradfahrende ein besonders hohes Risiko dar, da sie Fähigkeiten beeinträchtigen, die für das sichere Führen eines Motorrads unerlässlich sind.
Verbreitung
In der Bevölkerungsbefragung 2024 gaben knapp 20 % der Motorradfahrenden an, mindestens ab und zu nach dem Konsum von zwei oder mehr Gläsern Alkohol Motorrad oder Roller zu fahren. Männer (21 %) gaben häufiger an als Frauen (16 %), zumindest selten nach dem Konsum von zwei oder mehr Gläsern Alkohol zu fahren. Junge Fahrzeuglenkende (15 bis 24 Jahre) gaben dies deutlich seltener an als ältere [1].
In der «E-Survey of Road users’Attitudes» (ESRA) 2023 gaben 18,3 % der Befragten in der Schweiz an, in den letzten 30 Tagen mindestens einmal nach Alkoholkonsum Motorrad oder Roller gefahren zu sein, obwohl die gesetzlich zulässige Blutalkoholkonzentration (BAK) wahrscheinlich überschritten war. Damit liegt die Schweiz knapp unter dem europäischen Durchschnitt (19,4 %) [2].
Gefährlichkeit
Es ist davon auszugehen, dass die negativen Auswirkungen von Alkohol auf die Fahrfähigkeit von Motorradlenkenden mindestens ebenso stark, wenn nicht sogar stärker sind als bei Lenkenden von Personenwagen (PW). Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Fahrzeugbeherrschung beim Motorradfahren mehr motorische Fertigkeiten wie Balance und Koordination erfordert.
Im Gegensatz zu den Unfallrisiken von Motorradlenkenden unter Alkoholeinfluss liegen zu den alkoholbedingten Unfallrisiken von PW-Lenkenden zahlreiche Untersuchungen vor [z. B. 3–6]. Diese kommen je nach Studientyp und Studiendesign zu unterschiedlichen Ergebnissen. In der Tendenz zeigen sie jedoch alle, dass das Unfallrisiko mit steigendem Alkoholisierungsgrad exponentiell zunimmt [7].
Das Risiko, bei einem Unfall schwer verletzt oder getötet zu werden, steigt mit zunehmender Blutalkoholkonzentration (BAK) im Vergleich zu 0 ‰. Insgesamt werden die Odds Ratios (siehe Hinweis 1) wie folgt geschätzt [7]:
- 0,10–0,49 ‰: 1 bis < 1,2
- 0,50–0,79 ‰: 1,2 bis < 2,0
- Ab 0,80 ‰: 8+
Ab einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,80 ‰ steigt das Risiko, bei einem Unfall schwer verletzt oder getötet zu werden, um das Achtfache oder mehr.
Eine Studie, die sich speziell mit den Risikofaktoren für Motorradunfälle befasste, kam zu dem Ergebnis, dass Fahren unter Alkoholeinfluss das Unfallrisiko für Motorradlenkende um mehr als das 13-fache erhöht (OR = 13,48, 95%-Konfidenzintervall: 9,12–19,93) [8].
Aber nicht nur das Unfallrisiko steigt mit zunehmender BAK, sondern auch die Schwere der Verletzungen und das Risiko, an den Folgen der Verletzungen zu sterben, nehmen zu [9,10].
Unfallrelevanz
Bei 10 % der Unfälle mit schweren Personenschäden, die von Motorradlenkenden verursacht wurden, war Alkohol die Hauptunfallursache (Ø 2019–2023). Damit liegt der Anteil von Alkohol als Hauptursache ähnlich hoch wie bei den PW-Lenkenden. Insgesamt sind 98 % der Opfer bei diesen Unfällen die Motorradlenkenden selbst oder deren Mitfahrende.
Der Anteil alkoholbedingter Unfälle ist bei den 25- bis 44-jährigen Motorradfahrenden mit 15 % und bei den 45- bis 64-Jährigen mit 12 % etwas höher als bei den jüngeren und älteren Motorradfahrenden. 77 % der Verursachenden von Alkoholunfällen sind in diesem Altersbereich und 92 % männlich.
Mehr als ein Drittel der Alkoholunfälle ereignet sich an Wochenenden bei Dämmerung oder Dunkelheit. Ein weiteres Drittel an Werktagen in der Dämmerung und Dunkelheit. Fast zwei Drittel der Unfälle passieren innerorts und fast neun von zehn sind Schleuder- und Selbstunfälle.
Hinweise
- Die Odds Ratio (OR) gibt an, um wie viel sich die Chance (Englisch: odds) für das Eintreten eines Ereignisses durch einen Einflussfaktor verändert. Zur Berechnung werden in einem ersten Schritt die Odds für ein Ereignis bei Vorhandensein des Einflussfaktors und die Odds für ein Ereignis bei Nichtvorhandensein des Einflussfaktors berechnet. «Odds» sind definiert als das Verhältnis der Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis eintritt, zu der Wahrscheinlichkeit, dass es nicht eintritt. Diese beiden Odds werden dann zueinander ins Verhältnis gesetzt (Odds Ratio). Wie das Relative Risiko kann auch die Odds Ratio einen Wert zwischen 0 und unendlich annehmen. Auch hier weist eine OR > 1 auf einen positiven Zusammenhang hin [7].
Quellen
[1] BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung. BFU-Bevölkerungsbefragung 2024: Jährlich wiederkehrende Befragung der Schweizer Wohnbevölkerung zu Themen im Bereich der Nichtberufsunfälle. Bern: BFU; 2024.
[2] Vias Institute. Switzerland – ESRA3 Country fact sheet. Brussels: Vias Institute; 2023 Version 2 (01/2024).
[3] Høye AK, Storesund Hesjevoll I. Alcohol and driving – How bad is the combination? A meta-analysis. Traffic Inj Prev. 2023; 24(5): 373–378. DOI:10.1080/15389588.2023.2204984.
[4] Meesmann U, Boets S, de Gier H et al. Driving under influence of Drugs, Alcohol and Medicines. Main DRUID results to be communicated to different target groups; 2011 7.3.2.
[5] Hargutt V, Krüger H-P, Knoche A. Driving under the influence of alcohol, illicit drugs and medicines. Risk estimations from different methodological approaches: DRUID 6th Framework programme deliverable D 1.3.1 Revision 1.0. Bergisch Gladbach: German Federal Highway Research Institute BASt; 2011.
[6] Compton R, Berning A. Drug and alcohol crash risk. Washington, DC: National Highway Traffic Safety Administration NHTSA; 2015. Traffic Safety Facts Research Note DOT HS 812 117.
[7] Hertach P, Uhr A, Niemann S et al. Beeinträchtigte Fahrfähigkeit von Motorfahrzeuglenkenden. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2020. Sicherheitsdossier 2.361. DOI:10.13100/BFU.2.361.01.
[8] Lardelli-Claret P, Jiménez-Moleón JJ, Dios Luna-del-Castillo J de et al. Driver dependent factors and the risk of causing a collision for two wheeled motor vehicles. Inj Prev. 2005; 11(4): 225–231. DOI:10.1136/ip.2004.006957.
[9] Ahmed N, Kuo Y-H, Sharma J, Kaul S. Elevated blood alcohol impacts hospital mortality following motorcycle injury: A National Trauma Data Bank analysis. Injury. 2020; 51(1): 91–96. DOI:10.1016/j.injury.2019.10.005.
[10] Rappole C, Canham-Chervak M, Taylor B, Jones BH. Factors associated with motorcycle traffic crash fatalities among active duty U.S. Army personnel. Traffic Inj Prev. 2019; 20(2): 174–181. DOI:10.1080/15389588.2018.1532082.