Gesamtunfallgeschehen

Verhaltensvorschriften zur Prävention von Verkehrsunfällen

Rechtliche Verhaltensvorschriften spielen für die Verkehrssicherheit eine entscheidende Rolle. Ihre Wirksamkeit hängt von verschiedenen Faktoren ab – zum Beispiel der Durchsetzung.
  • Einleitung
  • Aktuelle Situation
  • Präventionsnutzen
  • Optimierungspotential
  • Fazit
  • Hinweise
  • Quellen
  • Einleitung
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  • Präventionsnutzen
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Einleitung

Verhaltensvorschriften sind für einen geordneten Ablauf des Strassenverkehrs unabdingbar und spielen auch bei der Förderung eines sicheren Verhaltens eine wichtige Rolle. Sie geben klare Anweisungen, wie sich die Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer in verschiedenen Situationen verhalten sollen. So können Gefahren- und Konfliktsituationen minimiert werden.

Im Folgenden werden die aus Präventionssicht wichtigsten existierenden Verhaltensvorschriften für Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer in der Schweiz beschrieben, beurteilt sowie Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Aktuelle Situation

Das Strassenverkehrsgesetz schreibt in Art. 26 SVG [1] vor, dass sich alle Verkehrsteilnehmenden stets so verhalten müssen, dass sie andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse nicht behindern oder gefährden. Sie müssen sich vorausschauend und rücksichtsvoll verhalten. 

Neben dieser allgemeinen Verhaltensvorschrift gibt es weitere Bestimmungen, um riskantes Verhalten zu vermeiden. Im Hinblick auf die häufigsten Risikofaktoren und Unfallursachen bei schweren Verkehrsunfällen sind insbesondere folgende Verhaltensvorschriften relevant:

Psychoaktive Substanzen

Ab einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l (entspricht einer Blutakoholkonzentration von 0,5 Promille) darf kein Fahrzeug geführt werden (Art. 31 Abs. 2 SVG) [1] (siehe Hinweis 1). Für bestimmte Lenkerinnen und Lenker von Motorfahrzeugen (insbesondere Neulenkende und Berufschauffeure) gilt ein faktisches Alkoholverbot (Art. 31 Abs. 2bis SVG) [1]. Auch für das Fahren unter dem Einfluss bestimmter Drogen wie THC oder Kokain besteht eine Nulltoleranz (siehe Hinweis 2). Für andere illegale Drogen und Medikamente gibt es keine festen Grenzwerte. Eine allfällige Fahrunfähigkeit wird im Einzelfall individuell geprüft. Grundlage der Beurteilung bildet das Drei-Säulen-Prinzip: Feststellungen der Polizei, ärztliche Befunde sowie Ergebnisse forensisch-toxikologischer Untersuchungen.

Müdigkeit

Wer wegen Übermüdung fahrunfähig ist, darf kein Fahrzeug führen (Art. 31 Abs. 2 SVG, Art. 2 Abs. 1 VRV) [1,2]. Es gehört zu den Sorgfaltspflichten der Fahrzeugführenden, ihre Fahrfähigkeit zu überwachen und bei Müdigkeit die Fahrt zu unterbrechen. 

Ablenkung

Alle Fahrzeuglenkerinnen und Fahrzeuglenker müssen ihre Aufmerksamkeit stets auf die Strasse und den Verkehr richten. Sie dürfen beim Fahren nichts tun, was die Bedienung des Fahrzeugs erschwert. Die Aufmerksamkeit darf nicht durch Kommunikationsgeräte etc. beeinträchtigt werden. Das Telefonieren ohne Freisprechanlage ist ausdrücklich verboten (Art. 31 Abs. 1 SVG, Art. 3 Abs. 1 VRV) [1,2]. Nicht alle Ablenkungsarten sind explizit im Gesetz definiert (z. B. Handynutzung von Fussgängerinnen und Fussgängern oder Musikhören bei Velofahrenden). Sie können dennoch zu Sanktionen führen, wenn deshalb gegen Verkehrsregeln verstossen wird oder andere Verkehrsteilnehmende gefährdet werden (vgl. Art. 3 Abs. 3 VRV, Art. 31 Abs. 1 SVG, Art. 3 Abs. 1 VRV, Art. 26 und Art. 49 SVG) [1,2].

Geschwindigkeit

Alle Fahrzeuglenkerinnen und Fahrzeuglenker müssen ihre Geschwindigkeit stets den Umständen anpassen, z. B. den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen (Art. 32 Abs. 1 SVG, Art. 4 Abs. 1 VRV) [1,2]. Die geltenden Höchstgeschwindigkeiten sind einzuhalten. Für Lenkende von konventionellen Velos gelten die allgemeinen und signalisierten Höchstgeschwindigkeiten zwar nicht. Aber auch sie müssen die Geschwindigkeit den Umständen anpassen und ihr Velo jederzeit beherrschen.

Einhalten des Vortrittsrechts

Alle Verkehrsteilnehmenden sind verpflichtet, das in der Situation geltende Vortrittsrecht zu beachten, also beispielsweise den Rechtsvortritt einzuhalten, das Signal «Kein Vortritt» zu respektieren oder Fussgängerinnen und Fussgängern am Fussgängerstreifen den Vortritt zu gewähren (vgl. Art. 36 Abs. 2 Satz 2 SVG, Art. 36 SSV, Art. 33 SVG, Art. 6 VRV) [1–3]. Das Vortrittsrecht ist jedoch nicht absolut: Verkehrsteilnehmende müssen darauf verzichten, wenn sie erkennen, dass andere Verkehrsteilnehmende es missachten könnten, um Gefährdungen oder Unfälle zu vermeiden (vgl. Art. 26 Abs. 2 SVG) [1].

Darüber hinaus gibt es weitere unfallrelevante Verhaltensvorschriften, zum Beispiel zum Einhalten des Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug, zum sicheren Überholen oder zum Einschalten des Lichts.

Präventionsnutzen

Rechtliche Verhaltensvorschriften spielen für die Verkehrssicherheit eine entscheidende Rolle. Sie betreffen alle Verkehrsteilnehmenden und tragen wesentlich dazu bei, Konflikt- und Gefahrensituationen im Strassenverkehr zu vermeiden.

Der hohe Nutzen ergibt sich auch daraus, dass der Gesetzgeber bei den Hauptunfallursachen ansetzt und wenn möglich konkrete Vorgaben macht. Damit Verhaltensvorschriften ihren präventiven Nutzen entfalten und tatsächlich befolgt werden, bedarf es aber auch eines konsequenten Vollzugs und einer gewissen Sanktionsandrohung (siehe Hinweis 3), gegebenenfalls auch begleitender Sensibilisierungsmassnahmen.

Die Wirksamkeit solcher Vorschriften ist durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt: So konnte z. B. gezeigt werden, dass Alkoholgrenzwerte in Kombination mit öffentlicher Sensibilisierung und verstärkten Kontrollen die Zahl der alkoholbedingten Verkehrsunfälle von Motorfahrzeuglenkenden signifikant reduzieren [4,5]. Geschwindigkeitsbegrenzungen mit ausreichender Durchsetzung und begleitender Öffentlichkeitsarbeit tragen ebenfalls wesentlich zur Reduktion von Unfällen und Verletzungen bei [4]. Die genaue Wirksamkeit von Vorschriften ist jedoch schwer zu quantifizieren, da es oft an geeigneten Kontrollgruppen mangelt und die Wirksamkeit auch davon abhängig ist, wie die Vorschriften in der Praxis umgesetzt werden (z. B. Kontrollen und Sensibilisierung).

Optimierungspotential

Die aufgeführten Verhaltensvorschriften haben sich in der Schweiz bewährt und sind grundsätzlich im Sinne der Prävention. Im Rahmen der regelmässigen Revisionen der Gesetze und Verordnungen gilt es zumindest sicherzustellen, dass keine Abschwächungen vorgenommen werden und die Neuerungen nicht sicherheitsabträglich sind. Auch wenn kein grosser Anpassungsbedarf besteht, lassen sich aufgrund der Erfahrungen in anderen Ländern folgende, punktuelle Optimierungsmöglichkeiten ableiten: 

Psychoaktive Substanzen

In einigen Ländern liegen die Alkoholgrenzwerte tiefer als in der Schweiz. Der Zusatznutzen einer Senkung des Grenzwerts auf beispielsweise 0,3 oder 0,2 Promille wäre jedoch wegen der geringen Risikounterschiede bescheiden. Eine Nulltoleranz (wie sie z. B. der Deutsche Verkehrssicherheitsrat DVR für Deutschland fordert [6]) wäre hingegen ein klares Signal, Alkohol und Fahren konsequent zu trennen. Die politisch-gesellschaftliche Akzeptanz hierfür dürfte derzeit jedoch nicht gegeben sein.

Müdigkeit

Die Vorgaben zur Vermeidung von Müdigkeit sind naturgemäss sehr allgemein gehalten, was einen grossen Ermessensspielraum eröffnet und einen einheitlichen Vollzug erschwert, zumal Müdigkeit als Unfallursache schwer zu erkennen ist. Längerfristig könnte das Gesetz insofern verschärft werden, als die Beachtung von fahrzeugtechnischen Warnhinweisen beim Fahren im übermüdeten Zustand für Lenkende von Motorfahrzeugen vorgeschrieben wird. Hierzu müsste jedoch zunächst eine sehr hohe und einheitliche Zuverlässigkeit der Warnungen sichergestellt werden.

Ablenkung

Ein grundsätzliches Verbot des Telefonierens mit Freisprechanlage könnte zwar einen Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten. Der Effekt dürfte aber nur geringfügig und der Vollzug schwierig sein [5]. Zudem wäre die gesellschaftliche Akzeptanz vermutlich nicht gegeben.

Fazit

Die genannten Verhaltensvorschriften können grundsätzlich als zweckmässig und wirksam bezeichnet werden. Allerdings werden nicht alle Vorschriften gleich gut befolgt. Die jeweilige Wirksamkeit hängt von weiteren Faktoren ab, insbesondere von der Vollzugsmöglichkeit und der Höhe der angedrohten Sanktionen, aber auch von der gesellschaftlichen Akzeptanz der Regeln.

Hinweise

  1. Die konkreten Grenzwerte sind in Art. 1 der Verordnung der Bundesversammlung über Alkoholgrenzwerte im Strassenverkehr geregelt [7].
  2. Der Begriff ist etwas missverständlich, da der Grenzwert nicht bei null liegt, sondern darüber (bei THC bei 1,5 μg/l, bei den anderen in der VRV aufgelisteten Drogen wie Kokain bei 15 µg/L [Art. 34 VSKV-ASTRA]) [8].
  3. Die Themen «Polizeikontrollen» und «Sanktionierung» werden auf separaten Seiten behandelt

Quellen

[1] Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG; SR 741.01).

[2] Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11).

[3] Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV, SR 741.21).

[4] Bevan Kirley, Kristel Robison, Arthur Goodwin et al. Countermeasures That Work: A Highway Safety Countermeasure Guide for State Highway Safety Offices. 11th Edition: National Highway Traffic Safety Administration NHTSA; 2023.

[5] Hertach P, Uhr A, Niemann S et al. Beeinträchtigte Fahrfähigkeit von Motorfahrzeuglenkenden. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2020. Sicherheitsdossier 2.361. DOI:10.13100/BFU.2.361.01.

[6] Deutscher Verkehrssicherheitsrat e. V. DVR. Kein Alkohol am Steuer; 2024. https://www.dvr.de/presse/kein-alkohol-am-steuer. 06.01.2025.

[7] Verordnung der Bundesversammlung über Alkoholgrenzwerte im Strassenverkehr vom 15. Juni 2012 (SR 741.13).

[8] Verordnung des ASTRA zur Strassenverkehrskontrollverordnung vom 22. Mai 2008 (VSKV-ASTRA, SR 741.013.1)

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