Verletzlichkeit als Risikofaktor bei Verkehrsunfällen

Wie schwerwiegend die Folgen eines Verkehrsunfalls sind, hängt auch von der Verletzlichkeit der betroffenen Personen ab. Verletzliche Verkehrsteilnehmende verletzen sich schwerer als andere, wenn sie verunfallen.

Ausgangslage

Verletzliche Verkehrsteilnehmende verletzen sich bei Unfällen im Strassenverkehr schwerer als andere Gruppen. Bei verletzlichen Verkehrsteilnehmenden ist der Anteil der schweren Personenschäden (an allen Personenschäden) überdurchschnittlich hoch, und auch die Letalität (siehe Hinweis 1) ist oft erhöht.

Zu den verletzlichen Gruppen gehören zum einen Seniorinnen und Senioren: Alters- und krankheitsbedingte Veränderungen führen dazu, dass bereits relativ geringe Belastungen gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit haben können.

Verletzlich sind aber auch Personen, die zu Fuss und auf Zweirädern (z. B. Velo, Motorrad) unterwegs sind. In diesen Fällen ergibt sich die Verletzlichkeit daraus, dass diese Verkehrsteilnehmenden bei einem Unfall nicht durch die Fahrzeugkarosserie oder weitere fahrzeugtechnische Systeme (z. B. Gurt, Airbag) geschützt sind, wie dies bei PW-Insassinnen und PW-Insassen der Fall ist.

Verbreitung

Ende 2022 lebten in der Schweiz fast 1,7 Millionen Personen, die 65-jährig oder älter waren [1]. Dies entspricht einem Bevölkerungsanteil von 19 %. Die Zahl und der Bevölkerungsanteil der Seniorinnen und Senioren nehmen seit Jahren zu und werden auch in Zukunft weiter steigen. Das Bundesamt für Statistik geht davon aus, dass im Jahr 2050 rund 2,7 Millionen Personen in der Schweiz 65-jährig und älter sein werden [1].

Es kommt hinzu, dass auch die Mobilität der Seniorinnen und Senioren im Vergleich zu 1994 zugenommen hat [2]. Die grössere Zahl der Seniorinnen und Senioren und ihre steigende Mobilität führen dazu, dass immer mehr ältere, verletzliche Verkehrsteilnehmende auf den Strassen unterwegs sind.

Gemäss dem Mikrozensus 2021 legt die Schweizer Bevölkerung 10 % der zurückgelegten Distanzen zu Fuss oder auf Zweirädern zurück [2]. Dies entspricht 3 km pro Tag und Person. Dabei haben die mit Velos und E-Bikes zurückgelegten Distanzen in den letzten Jahren zugenommen (Mikrozensus 2015 und 2021, Auswertungen BFU), und mit dem Boom der E-Bikes dürfte sich dieser Trend fortsetzen.

Bemerkenswert ist dabei die Nutzung von E-Bikes durch Seniorinnen und Senioren: Diese legten 2021 mehr als 140 Millionen Kilometer mit E-Bikes zurück – rund 100 Millionen Kilometer mehr als 2015 (Mikrozensus 2015 und 2021, eigene Auswertungen BFU).

Gefährlichkeit

Über alle Altersklassen und Gruppen von Verkehrsteilnehmenden hinweg handelt es sich bei 19 % der Personenschäden um schwere Personenschäden (d. h. schwer verletzte oder getötete Personen). Zum Vergleich: Im Jahr 1965 lag dieser Anteil bei 53 %. Diese Verbesserung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Zahl der Schwerverletzten und Getöteten (im Gegensatz zu den Leichtverletzten) deutlich zurückgegangen ist [3]. Die Unfallschwere hat in diesem Zeitraum also deutlich abgenommen.

Bei den Personen ab 65 Jahren liegt der Anteil der schweren Personenschäden mit 30 % deutlich höher. Am höchsten ist er bei Personen ab 75 Jahren: eine von drei verletzten Personen verletzt sich schwer oder tödlich [3]. Personen ab 75 Jahren weisen auch die mit Abstand höchste Letalität aller Altersgruppen auf: Sie ist viermal so hoch wie über alle Altersgruppen hinweg. An zweiter Stelle folgen die 65- bis 74-Jährigen: Ihre Letalität ist fast doppelt so hoch wie im Durchschnitt [4].

Vergleicht man die verschiedenen Mobilitätsformen, zeigt sich, dass der Anteil schwerer Personenschäden bei einigen Gruppen überdurchschnittlich hoch ist. Am höchsten ist er mit 30 % bei den Motorradfahrerinnen und Motorradfahrern, gefolgt von den E-Bike-Fahrenden (28 %). Bei den Velofahrenden und den Fussgängerinnen und Fussgängern machen die schweren Personenschäden je 25 % aus [3]. Die Letalität ist am höchsten bei Personen, die zu Fuss verunfallen: Rund zwei von 100 Personen, die sich bei einem Unfall verletzen, sterben an den Folgen [4].

Sind ältere Personen zu Fuss oder mit einem Zweirad unterwegs, sind sie doppelt gefährdet. Dies zeigt sich zum Beispiel in der Letalität von Fussgängerinnen und Fussgängern ab 65 Jahren: Sie liegt bei rund 6 % [4].

Unfallrelevanz

Als Basis für die Unfallrelevanz werden im vorliegenden Text die amtlichen Unfallstatistiken verwendet. Allgemein ergibt sich die Unfallrelevanz aus der Kombination der Verbreitung und der Gefährlichkeit eines Risikofaktors.

Gemäss den polizeilichen Unfallstatistiken sind bei 22 % der schweren Personenschäden Seniorinnen und Senioren betroffen. Bei den Getöteten liegt ihr Anteil sogar bei 40 %. Damit ist diese Bevölkerungsgruppe im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil überproportional betroffen [4].

Unter den verschiedenen Gruppen von Verkehrsteilnehmenden stellen die Motorradfahrenden mit einem Anteil von 27 % die grösste Gruppe der schwer Verunfallten dar. Auch Velofahrerinnen und Velofahrer machen etwas mehr als 20 % der schweren Personenschäden aus. Bei einem von sieben schweren Personenschäden ist eine Fussgängerin oder ein Fussgänger betroffen, bei einem von neun eine Person auf einem E-Bike [4].

Sind ältere Personen zu Fuss oder auf einem Zweirad unterwegs, sind sie auf doppelte Art verletzlich: aufgrund ihres Alters und aufgrund der Mobilitätsform. Bei den E-Bikes kommt die zunehmende Exposition hinzu. Diese Kombination führt dazu, dass ältere Personen bei den getöteten E-Bike-Fahrenden einen Anteil von 70 % ausmachen.

Hinweise

  1. Kennwert für die Gefährlichkeit von Unfällen (Anzahl Getötete pro 10 000 Personenschäden)

Quellen

[1] Bundesamt für Statistik BFS, Hg. Die Bevölkerung der Schweiz im Jahr 2022. Neuchâtel; 2023.

[2] Biedermann F, Hg. Mobilitätsverhalten der Bevölkerung: Ergebnisse des Mikrozensus Mobilität und Verkehr 2021. Neuchâtel: Bundesamt für Statistik BFS; 2023. Statistik der Schweiz Themenbereich.

[3] Niemann S, Achermann Stürmer Y, Ellenberger L, Meier D. Status 2023: Statistik der Nichtberufsunfälle und des Sicherheitsniveaus in der Schweiz. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2023. DOI:10.13100/bfu.2.505.01.2023.

[4] Hertach P, Achermann Stürmer Y, Allenbach R et al. Sinus 2023: Sicherheitsniveau und Unfallgeschehen im Strassenverkehr 2022. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2023. DOI:10.13100/bfu.2.501.01.2023.

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