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Geschwindigkeit als Risikofaktor bei Verkehrsunfällen von Jugendlichen

Bei drei von zehn schwer verletzten oder getöteten Jugendlichen zwischen 15 und 17 Jahren ist überhöhte oder unangepasste Geschwindigkeit Haupt- oder Mitursache des Unfalls.
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Ausgangslage

Überhöhte oder unangepasste Geschwindigkeit ist ein zentraler Risikofaktor für Unfälle und Verletzungen im Schweizer Strassenverkehr (z. B. [1–4]). Sowohl die Unfallwahrscheinlichkeit als auch die Verletzungsschwere nehmen mit steigender Geschwindigkeit zu [2,3,5,6].

Wer mit hoher Geschwindigkeit fährt, hat weniger Zeit, auf ein unerwartetes Ereignis zu reagieren als jemand, der mit mässiger Geschwindigkeit fährt. Obwohl die Reaktionszeit gleich bleibt, ist die zurückgelegte Strecke bei hoher Geschwindigkeit länger. Zudem verlängert sich der Bremsweg, da er im Quadrat zur Geschwindigkeit steht. Auch andere Verkehrsteilnehmende haben weniger Zeit, auf ein schnell herannahendes Fahrzeug zu reagieren [3].

Überhöhte Geschwindigkeit bedeutet, dass die gesetzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten wird. Unangepasste Geschwindigkeit hingegen bedeutet, dass die Geschwindigkeit nicht an die aktuellen Strassenverhältnisse, Verkehrsbedingungen oder Sichtverhältnisse angepasst ist.

Dieser Risikofaktor ist insbesondere für die Altersgruppe der 15- bis17-Jährigen relevant. In diesem Lebensabschnitt sind zwar die meisten körperlichen und geistigen Fähigkeiten für eine sichere Teilnahme am Strassenverkehr entwickelt.

Körperliche, psychische und soziale Veränderungen führen jedoch zu neuen Gefährdungen. Jugendliche neigen eher zu risikoreichem Verhalten und lassen sich stärker von Gleichaltrigen beeinflussen. Zudem sind sie durch die Nutzung von Motorrädern und als Mitfahrende bei Neulenkenden von Personenwagen (PW) einem erhöhten Unfallrisiko ausgesetzt [7].

Verbreitung

Es gibt weder für die Schweiz noch für andere Länder spezifische Daten zur Häufigkeit von Geschwindigkeitsüberschreitungen bei Jugendlichen im Alter von 15 bis 17 Jahren. Es muss daher auf Studien zurückgegriffen werden, die sich auf andere, breitere Altersgruppen beziehen, wie z. B. die zweite Befragung des Projekts «E-Survey of Road users’ Attitudes» (ESRA), an der in der ersten Welle 2018 rund 45 000 Personen in 48 Ländern, davon 20 in Europa, teilgenommen haben [8].

Insgesamt gaben mehr als 50 % der PW-Lenkenden in Europa an, in den letzten 30 Tagen mindestens einmal zu schnell gefahren zu sein [9]. Die entsprechenden Anteile betragen innerorts 56 %, ausserorts 68 % und auf Autobahnen 62 %.

Geschwindigkeitsüberschreitungen sind bei jüngeren PW-Lenkenden in Europa deutlich stärker verbreitet als bei älteren. Auf Innerortsstrassen gaben beispielsweise 65 % der 18- bis 24-Jährigen an, in den letzten 30 Tagen mindestens einmal zu schnell gefahren zu sein, bei den 65-Jährigen und älteren waren es nur 50 % [9].

Allerdings zeigt eine Befragung von rund 2700 Jugendlichen im Alter von 14 bis 19 Jahren, dass jüngere Teenager seltener zu riskantem Fahrverhalten wie z. B. Überschreiten von Geschwindigkeitslimits neigen als etwas ältere Teenager und junge Erwachsene [10].

Gefährlichkeit

Das Gefahrenpotenzial von unangepasster Geschwindigkeit wird als sehr hoch eingeschätzt [11]. Steigt die Durchschnittsgeschwindigkeit auf einer Strasse, nimmt die Zahl der Unfälle zu, wobei die schweren Unfälle stärker zunehmen als die leichten.

Dieses Phänomen lässt sich durch physikalische Gesetzmässigkeiten erklären, die durch zahlreiche empirische Studien weltweit bestätigt wurden [6]. Der Zusammenhang zwischen Änderungen der Durchschnittsgeschwindigkeit und der Unfallhäufigkeit hängt von der Ausgangsgeschwindigkeit ab. Eine prozentuale Geschwindigkeitsänderung wirkt sich bei höheren Ausgangsgeschwindigkeiten stärker aus. Dieser Zusammenhang lässt sich am besten durch ein Exponentialmodell darstellen [6].

Für die Sicherheit von vulnerablen Verkehrsteilnehmenden (z. B. Fussgängerinnen und Fussgänger) ist die Fahrgeschwindigkeit besonders kritisch: Ihre Sicherheit hängt massgeblich von der Kollisionsgeschwindigkeit ab [12]. Gemäss einer Metaanalyse ist die Wahrscheinlichkeit, dass Fussgängerinnen und Fussgänger bei einer Kollision mit einem 50 km/h schnellen Fahrzeug getötet werden, sechsmal höher als bei einer Kollision mit einem 30 km/h schnellen Fahrzeug [13].

Unfallrelevanz

Unangepasste oder überhöhte Geschwindigkeit war im Zeitraum von 2019 bis 2023 bei 29 % der schweren Unfälle der 15- bis 17-Jährigen die Haupt- oder Mitursache, was deutlich über dem entsprechenden Anteil für alle Altersgruppen (20 %) liegt [14]. Allerdings ist dieser Anteil bei den 15- bis 17-jährigen Mädchen (25 %) geringer als bei den Jungen (31 %).

15- bis 17-Jährige verunfallen häufig bei schweren Geschwindigkeitsunfällen (7 %), gemessen an ihrem Anteil an allen schweren Unfällen (5 %). Besonders hoch ist ihr Anteil bei den schwer verunfallten Mitfahrenden (12 %). Auch bei schweren Geschwindigkeitsunfällen mit Motorrädern (12 %) und Mofas (20 %) sind Jugendliche stark überrepräsentiert. Zum Vergleich: Der Anteil der 15- bis 17-Jährigen an der Gesamtbevölkerung beträgt nur 3 %.

Quellen

[1] Hertach P. Geschwindigkeitskontrollen: Empfehlungen aus Präventionssicht. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2021. Forschung 2.401. DOI:10.13100/BFU.2.401.01.2021.

[2] WHO. Managing speed. Geneva, Switzerland: WHO; 2017.

[3] Van den Berghe W, Pelssers B. Dossier thématique Sécurité routière no 9: Vitesse et vitesse excessive. Bruxelles: Institut VIAS – Centre de connaissance Sécurité routière; 2020.

[4] Niemann S. Geschwindigkeit auf Schweizer Strassen: Pilotprojekt zur Erhebung des Geschwindigkeitsverhaltens von Motorfahrzeuglenkenden. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2020. Forschung 2.378. DOI:10.13100/BFU.2.378.01.2020.

[5] Adminaité-Fodor D, Jost G. Reducing speeding in Europe. Brussels: European Transport Safety Council ETSC; 2019. PIN Flash Report 36.

[6] International Transport Forum ITF. Speed and crash risk: Research report. Paris: ITF; 2018.

[7] Uhr A, Ewert U, Niemann S et al. Sicherheit von Jugendlichen im Strassenverkehr. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2018. Sicherheitsdossier Nr. 17. DOI:10.13100/bfu.2.336.01.

[8] Meesmann U, Wardenier N, Torfs K et al. A global look at road safety. Synthesis from the ESRA2 survey in 48 countries. ESRA project (E-Survey of Road users’ Attitudes). Brussel, Belgium: Vias Institute; 2022.

[9] Holocher S, Holte H. Speeding: ESRA2 Thematic Report Nr. 2. ESRA project (E-Survey of Road Users’ Attitudes). Bergisch Gladbach: Federal Highway Research Institute BASt; 2019.

[10] Lastrucci V, Innocenti F, Lorini C et al. The Prevalence of Several Risky Driving Behaviors and Associated Crash Risk in Adolescent: A Population-Based Study of Tuscany Region. International journal of public health. 2022; 67: 1604582. DOI:10.3389/ijph.2022.1604582.

[11] Walter E, Achermann Stürmer Y, Ewert U et al. Personenwagen-Lenkende und -Mitfahrende. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2015. Sicherheitsdossier Nr. 13.

[12] Ewert U, Scaramuzza G, Niemann S, Walter E. Der Faktor Geschwindigkeit im motorisierten Strassenverkehr. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2010. Sicherheitsdossier Nr. 06.

[13] Hussain Q, Feng H, Grzebieta R et al. The relationship between impact speed and the probability of pedestrian fatality during a vehicle-pedestrian crash: A systematic review and meta-analysis. Accid Anal Prev. 2019; 129: 241–249. DOI:10.1016/j.aap.2019.05.033.

[14] Hertach P, Uhr A, Achermann Stürmer Y et al. Sinus 2024: Sicherheitsniveau und Unfallgeschehen im Strassenverkehr 2023. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2024. DOI:10.13100/bfu.2.536.01.2024.

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