Müdigkeit als Risikofaktor bei Personenwagenunfällen

Müdigkeit ist ein wichtiger Risikofaktor bei Unfällen von Personenwagenlenkenden. Aber: Müdigkeit als Unfallursache ist schwer nachzuweisen.

Ausgangslage

Müdigkeit am Steuer ist ein wichtiger Risikofaktor für Verkehrsunfälle. Die Schätzungen, in welchem Ausmass Müdigkeit zu Verkehrsunfällen beiträgt, variieren jedoch beträchtlich (siehe [1]). Dies liegt vor allem daran, dass Müdigkeit als Unfallursache schwierig zu erkennen ist. Im Gegensatz zu anderen Risikofaktoren, z. B. Alkohol, kann das gesamte Ausmass des Problems nicht objektiv festgestellt, sondern allenfalls abgeschätzt werden.

Beim Risikofaktor Müdigkeit geht es nicht nur um den sogenannten «Sekundenschlaf». Es geht um alle müdigkeitsbedingten Leistungseinbussen, die sich lange vor dem eigentlichen Einschlafen bemerkbar machen – z. B. eine verlangsamte Reaktion.

Müdigkeit ist ein Signal des Körpers, die aktuelle körperliche oder geistige Aktivität oder auch nur das «Wachsein» zu beenden. Viele Lenkerinnen und Lenker setzen jedoch ihre Fahrt fort, obwohl sie Müdigkeitssymptome wie Gähnen, Unkonzentriertheit, Fahrfehler oder schwere Augenlider wahrnehmen. 

Die wichtigsten Ursachen von Müdigkeit am Steuer:

  • Schlafmangel
  • Fahrten zu Zeiten mit hohem Schlafbedürfnis (nachts und am Nachmittag)
  • Lange und/oder monotone Fahrten
  • Sedierende Medikamente
  • Alkohol und Drogen
  • Medizinische Störungen wie Ein- und Durchschlafstörungen oder die obstruktive Schlafapnoe

Verbreitung

Gemäss der polizeilichen Unfallstatistik sind knapp 4 % der schweren Personenschäden, die von Lenkerinnen und Lenkern von Personenwagen (PW) verursacht werden, auf die Hauptursache Müdigkeit zurückzuführen (Ø 2019–2023).

Befragungen zeigen, dass Müdigkeit am Steuer ein häufiges Phänomen ist. Viele Befragte geben sogar an, schon einmal am Steuer eingenickt zu sein. Auf Basis verschiedener Studien und Erkenntnisse zur Prävalenz von Schlafdefiziten und Schlafstörungen kann davon ausgegangen werden, dass ca. 4–5 % der Fahrten von Motorfahrzeuglenkenden in übermüdetem Zustand stattfinden (siehe [1]).

Junge Erwachsene (insbesondere junge Männer), Berufschauffeure, Schichtarbeitende und Personen mit medizinischen (Schlaf-)Störungen haben ein erhöhtes Risiko für müdigkeitsbedingte Unfälle.

Gefährlichkeit

Müdigkeit geht mit einer Beeinträchtigung der Fahrfähigkeit einher. Übermüdete Personen haben beispielsweise Schwierigkeiten, die Spur zu halten, nehmen Gefahren verzögert wahr und reagieren auf unerwartete Ereignisse verspätet. Im Extremfall führt Müdigkeit zum Sekundenschlaf am Steuer.

Aufgrund dieser Beeinträchtigungen haben übermüdete Fahrzeuglenkende ein erhöhtes Unfallrisiko. Eine exakte Spezifizierung dieses Risikos ist kaum möglich. Grob geschätzt dürfte das relative Risiko aber im Bereich von 1,5 bis 4 liegen (siehe [1]). Das Unfallrisiko von übermüdeten PW-Lenkenden ist demnach um bis zu viermal höher als das von erholten Lenkerinnen und Lenkern.

Gemäss Unfallstatistik werden bei einem Unfall mit Müdigkeit als Hauptursache bei PW-Lenkenden 15 % der Unfallbeteiligten schwer oder tödlich verletzt, 85 % werden leicht verletzt (Ø 2019–2023).

Unfallrelevanz

Zwischen 2019 und 2023 starben pro Jahr durchschnittlich drei Verkehrsteilnehmende in der Schweiz bei Müdigkeitsunfällen, die durch Lenkende von Personenwagen verursacht wurden. Rund 59 wurden schwer verletzt. Das sind jeweils knapp 4 % aller Unfälle mit Getöteten und Schwerverletzten, bei denen Lenkende von Personenwagen Hauptverursachende waren.

Am häufigsten sind Kollisionen mit einem Hindernis ausserhalb der Fahrbahn (39 %) und Frontalkollisionen mit dem Gegenverkehr (29 %). Männer (60 %) sind häufiger Verursacher von Müdigkeitsunfällen als Frauen (39 %).

In fast der Hälfte der Fälle (45 %) sind die schwer verletzten oder getöteten Unfallopfer die PW-Lenkenden selbst. Werden andere Verkehrsteilnehmende schwer verletzt oder getötet, so sind dies vor allem die Mitfahrenden (79 %).

Insgesamt ist festzuhalten, dass es für die Polizei schwierig ist, Müdigkeit am Unfallort zuverlässig festzustellen und dass die Betroffenen ihre Schläfrigkeit oft verschweigen. Es ist daher davon auszugehen, dass das Ausmass des Problems in der amtlichen Verkehrsunfallstatistik unterschätzt wird.

Hinweise

Sofern nicht anders angegeben, basieren die Informationen in diesem Text auf Quelle [1]. Dort finden sich auch die Originalquellen der Aussagen.

Quellen

[1] Hertach P, Uhr A, Niemann S et al. Beeinträchtigte Fahrfähigkeit von Motorfahrzeuglenkenden. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2020. Sicherheitsdossier 2.361. DOI:10.13100/BFU.2.361.01.

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