Geschwindigkeit als Risikofaktor bei Personenwagenunfällen

Hohe Geschwindigkeiten erhöhen das Unfallrisiko und die Unfallschwere. Bei Unfällen, die Lenkerinnen und Lenker von Personenwagen (PW) verursachen, sind vor allem andere Unfallbeteiligte betroffen.

Ausgangslage

Im Gesamtunfallgeschehen hat die Geschwindigkeit als Unfallursache in den letzten zehn Jahren überproportional abgenommen. Dennoch bleibt sie ein zentraler Risikofaktor für Unfälle und Verletzungen im Strassenverkehr [1]. 

Einerseits verkürzen hohe Geschwindigkeiten die Reaktionszeit bei spät erkennbaren oder plötzlich auftauchenden Hindernissen. Andererseits ist der Zusammenhang mit der Verletzungswahrscheinlichkeit bzw. -schwere überproportional stark, da eine hohe Geschwindigkeit zu einem überproportional langen Anhalteweg bzw. zu einer überproportional hohen Kollisionsgeschwindigkeit führt [2]. 

Es gibt zwei Arten von Geschwindigkeitsüberschreitungen: 

  • Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit («excess speed»)
  • Eine den Verhältnissen nicht angepasste Geschwindigkeit («inappropriate speed»)

«Zu schnell sein» bedeutet also nicht nur, die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu überschreiten. Zu schnell sein kann auch bedeuten, die Geschwindigkeit nicht den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen anzupassen. 

Verbreitung

Im Jahr 2019 führte die BFU an verschiedenen Ortslagen Geschwindigkeitsmessungen durch [3]. Die Übertretungsrate der PW-Lenkerinnen und -Lenker betrug 53 % in Tempo-30-Zonen und 36 % in Tempo-50-Zonen. Auf Autobahnen betrug die Übertretungsrate 31 %, ausserorts war sie mit 18 % am niedrigsten.

Gemäss der BFU-Bevölkerungsbefragung ist beim selbstberichteten Geschwindigkeitsverhalten zwischen 2010 und 2015 der Anteil der Autofahrenden, die das Geschwindigkeitslimit mindestens gelegentlich übertreten, von rund 40 % auf 32 % zurückgegangen. Zwischen 2016 und 2020 ist diesbezüglich allerdings kein Trend erkennbar.

Männer und junge Lenkende (bis 29 Jahre) geben häufiger an, schneller als erlaubt zu fahren, als dies Frauen und Lenkende ab 30 Jahren tun [1]. Die BFU-Bevölkerungsbefragung 2022 [4] zeigt, wo die PW-Lenkenden gemäss ihrem selbstberichteten Geschwindigkeitsverhalten zumindest gelegentlich die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreiten und wie akzeptabel sie diese Überschreitungen finden (vgl. Abbildung 1). 

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Abbildung 1: Anteil PW-Lenkende, die die angegebene Höchstgeschwindigkeit zumindest ab und zu überschreiten (Verhalten) bzw. dies (eher) für akzeptabel halten (Akzeptanz).

Im Vergleich zum europäischen Durchschnitt fuhren 2023 die Schweizer PW-Lenkenden nach eigenen Angaben sowohl innerorts (59 % in der Schweiz vs. 50 % im europäischen Durchschnitt) als auch ausserorts (55 % vs. 53 %) etwas häufiger schneller als erlaubt. Auf Autobahnen wurde dagegen etwas seltener schneller gefahren als erlaubt (45 % vs. 47 %).

Das Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit angesichts der Strassen- und Verkehrsverhältnisse (z. B. schlechte Sicht, dichter Verkehr oder Präsenz von vulnerablen Verkehrsteilnehmenden) lag bei den Schweizer PW-Lenkenden mit 31 % im europäischen Durchschnitt [5].

Gefährlichkeit

Insgesamt wird das Gefahrenpotenzial von unangepasster Geschwindigkeit als sehr hoch eingeschätzt [6]. Wissenschaftliche Studien belegen den Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und Unfallrisiko sowie Unfallschwere: Mit steigender Durchschnittsgeschwindigkeit von Personenwagen steigt das Unfallrisiko, und die Unfallschwere nimmt zu (vgl. Abbildung 1 [1,3]).

Abbildung 2 zeigt: bei einer Erhöhung der gefahrenen Durchschnittsgeschwindigkeit um 5 % bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 30 km/h ist mit einer Zunahme der Getöteten um 13 % zu rechnen. Bei Tempo 50 km/h sind es 22 % mehr Getötete, bei Tempo 80 km/h 38 % und bei Tempo 120 km/h erhöht sich die Zahl um 63 %.

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Abbildung 2: «Exponential model» nach Finch [7] mit den von Elvik et al. [8] ermittelten Parametern: Relative Veränderung der Anzahl Getöteter durch die relative Veränderung der Durchschnittsgeschwindigkeit in Abhängigkeit der Ausgangsgeschwindigkeit (d = 0.081) [Quelle: 1,3]

Neben der mathematischen Modellierung des Zusammenhangs zwischen Geschwindigkeitsniveau und Unfallgeschehen bestätigt eine Übersicht über einzelne Fallstudien den Zusammenhang zwischen der Änderung des Geschwindigkeitslimits und dem Unfallgeschehen [9]. Man kann festhalten, dass mit zunehmender Fahrgeschwindigkeit das Unfallrisiko und die Unfallschwere nicht linear, sondern exponentiell ansteigen.

Für die Sicherheit von vulnerablen Verkehrsteilnehmenden (z. B. Fussgängerinnen und Fussgänger) ist die Fahrgeschwindigkeit besonders kritisch: Ihre Sicherheit hängt massgeblich von der Kollisionsgeschwindigkeit ab [10].

Unfallrelevanz

Im Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2022 wurden bei Unfällen, die von PW-Lenkenden verursacht wurden und bei denen nicht angepasste oder überhöhte Geschwindigkeit (mit-)ursächlich war, 276 Personen schwer verletzt oder getötet. Bei mehr als der Hälfte dieser schweren Personenschäden war die nicht angepasste oder überhöhte Geschwindigkeit die Hauptursache des Unfalls.

Ob Mit- oder Hauptunfallursache: Deutlich über 50 % der Schwerverletzten und Getöteten sind nicht die unfallverursachenden PW-Lenkenden selbst, sondern andere Unfallbeteiligte. Am häufigsten betroffen sind Mitfahrende und PW-Insassinnen und -Insassen im Kollisionsfahrzeug (69 %, bei Geschwindigkeit als Hauptunfallursache), gefolgt von Fussgängerinnen und Fussgängern (19 %).

Insgesamt sind 10 % der von PW-Lenkenden hauptverursachten Unfälle auf nicht angepasste oder überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen (17 %, wenn die Geschwindigkeit mitursächlich war). 7 von 10 schweren Personenschäden sind auf nicht angepasste Geschwindigkeit an den Streckenverlauf (z. B. enge Kurve) oder die Strassenverhältnisse (z. B. Regen) zurückzuführen.

Deutlich seltener ist die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit Hauptunfallursache (9 %). Die relativ kleine Hochrisikogruppe der «Raser» verursacht zwar schwere Unfälle, stellt aber nicht das Hauptproblem dar.

Männliche PW-Lenker sind mit 72 % deutlich häufiger Hauptverursacher von Geschwindigkeitsunfällen als weibliche, ebenso jüngere PW-Lenker als ältere. Am höchsten ist der Anteil bei den 18- bis 24-Jährigen (34%).

Hinweise

Geschwindigkeit als Unfallursache wird zwar insgesamt unterschätzt, insbesondere, weil die Polizei an der Unfallstelle ein Geschwindigkeitsvergehen nicht immer zweifelsfrei feststellen kann. Da aber Unfälle mit überhöhter oder nicht angepasster Fahrgeschwindigkeit häufig schwere oder sogar tödliche Verletzungen zur Folge haben, ist zumindest bei diesen Unfällen von einer geringeren Dunkelziffer auszugehen.

Quellen

[1] Hertach P. Geschwindigkeitskontrollen: Empfehlungen aus Präventionssicht. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2021. Forschung 2.401. DOI:10.13100/BFU.2.401.01.2021.

[2] Kuratorium für Verkehrssicherheit KfV, Hg. Bremsweg – Begleitheft zum Computerprogramm: Ein Animationsprogramm zur Problematik rund um den Anhalteweg. Wien: Kuratorium für Verkehrssicherheit KfV; 1990.

[3] Niemann S. Geschwindigkeit auf Schweizer Strassen: Pilotprojekt zur Erhebung des Geschwindigkeitsverhaltens von Motorfahrzeuglenkenden. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2020. Forschung 2.378. DOI:10.13100/BFU.2.378.01.2020.

[4] BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung. BFU-Bevölkerungsbefragung 2022: Jährlich wiederkehrende Befragung der Schweizer Wohnbevölkerung zu Themen im Bereich der Nichtberufsunfälle (Unveröffentlichter Bericht). Bern: BFU; 2022.

[5] Vias Institute. Switzerland - ESRA3 Country Fact Sheet. ESRA3 survey (E-Survey of Road Users’ Attitudes). Version 2 (01/2024): Vias Institute; 2023.

[6] Walter E, Achermann Stürmer Y, Ewert U et al. Personenwagen-Lenkende und -Mitfahrende. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2015. Sicherheitsdossier Nr. 13.

[7] Finch DJ, Kompfner P, Lockwood CR, Maycock G. Speed, speed limits and accidents. Crowthorne, Berkshire: Transport Research Laboratory TRL; 1994. Project Report 58.

[8] Elvik R, Vadeby A, Hels T, van Schagen I. Updated estimates of the relationshipp between speed and road safety at the aggregate and individual levels. Accident Analysis & Prevention. 2019;(123): 114–122.

[9] International Transport Forum ITF. Speed and crash risk: Research report. Paris: ITF; 2018.

[10] Ewert U, Scaramuzza G, Niemann S, Walter E. Der Faktor Geschwindigkeit im motorisierten Strassenverkehr. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2010. Sicherheitsdossier Nr. 06

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