E-Trottinett-Unfälle: überhöhte und nicht angepasste Geschwindigkeit von E-Trottinett-Fahrenden

E-Trottinette dürfen in der Schweiz mit Geschwindigkeiten bis zu 20 km/h fahren. Diese Geschwindigkeit hat verschiedene Auswirkungen auf die Sicherheit.

Ausgangslage

Die Geschwindigkeit ist ein zentraler Einflussfaktor bei Verkehrsunfällen: Je höher das Tempo, desto höher das Unfallrisiko und desto schwerer der Unfall [1]. Aus diesem Grund enthalten die rechtlichen Rahmenbedingungen in vielen Ländern eine Geschwindigkeitsbegrenzung für E-Trottinette, in den meisten Fällen bei 20 km/h oder 25 km/h [2].

Auch bei E-Trottinett-Unfällen ist die Geschwindigkeit eine relevante Ursache. Dabei geht es in der Regel nicht um das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Vielmehr passen die E-Trottinett-Fahrenden die Geschwindigkeit nicht der Situation an, z. B. der Linienführung oder den Strassenverhältnissen.

Verbreitung

Beobachtungsstudien im Strassenverkehr zeigen, mit welchen Geschwindigkeiten E-Trottinett-Fahrende unterwegs sind. Geschwindigkeitsmessungen in Österreich haben beispielsweise ergeben, dass die durchschnittliche Geschwindigkeit von E-Trottinett-Fahrenden auf freier, ebener Strecke bei ca. 15 km/h liegt. Frauen fahren etwas langsamer als Männer, ebenso Kinder und ältere Personen im Vergleich zu den anderen Altersgruppen [3].

In einer Studie in Deutschland wurde die Geschwindigkeit für die Mehrheit der beobachteten E-Trottinett-Fahrenden ähnlich eingeschätzt, nämlich im Bereich von 13–20 km/h [4]. In Österreich liegt die zulässige Höchstgeschwindigkeit von E-Trottinetten bei 25 km/h, in Deutschland bei 20 km/h. Beide Untersuchungen zeigen, dass E-Trottinett-Fahrende auf dem Trottoir langsamer fahren als auf anderen Verkehrsflächen. Dennoch sind viele E-Trottinett-Fahrende auf dem Trottoir schneller unterwegs als die Fussgängerinnen und Fussgänger, was zu Konflikten und Unfällen führen kann.

Für die Schweiz gibt es keine Studien, in denen die Geschwindigkeit von E-Trottinett-Fahrenden gemessen wurde. Wie oft E-Trottinett-Fahrende die signalisierte Höchstgeschwindigkeit überschreiten, ist nicht bekannt. Da in der Schweiz zugelassene E-Trottinette rein motorbetrieben eine Geschwindigkeit von höchstens 20 km/h erreichen, dürfte die signalisierte Geschwindigkeit nur an Stellen überschritten werden, an denen sie auf 20 km/h oder weniger begrenzt ist. Bei E-Trottinetten, die höhere Geschwindigkeiten erreichen, dürfte es häufiger zu Überschreitungen der signalisierten Geschwindigkeit kommen.

Wie oft E-Trottinett-Fahrende mit unangepasster Geschwindigkeit unterwegs sind, lässt sich ebenfalls nicht abschätzen. Aufgrund der Unfallstatistik muss aber davon ausgegangen werden, dass dies nicht so selten vorkommt.

Gefährlichkeit

Die Fahrgeschwindigkeit hat einen entscheidenden Einfluss auf die Verkehrssicherheit. Mit steigender Geschwindigkeit verlängert sich der Anhalteweg (Reaktions- und Bremsweg). Zudem hat man bei höheren Geschwindigkeiten in einer unerwarteten Situation weniger Zeit für eine Reaktion. Das Unfallrisiko steigt daher mit zunehmender Geschwindigkeit. Zudem haben Unfälle bei höheren Geschwindigkeiten oft schwerwiegendere Folgen [1].

Hinzu kommt, dass die Geschwindigkeit von E-Trottinetten von den anderen Verkehrsteilnehmenden wohl oft unterschätzt wird. Zumindest für E-Bikes konnte dies gezeigt werden: Weil E-Bike-Fahrende schneller fahren, aber langsamer in die Pedale treten als Velofahrende, unterschätzen andere Verkehrsteilnehmende die Geschwindigkeit von E-Bike-Fahrenden noch stärker als die von Velofahrenden [5–7].

E-Trottinette bewegen sich auf den gleichen Verkehrsflächen wie Velos und E-Bikes. Die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen diesen Fahrzeugen führen zu einer zunehmenden Geschwindigkeitsheterogenität. Dies führt zu vermehrten Überholvorgängen, was insbesondere für schnelle E-Bikes bereits nachgewiesen wurde [8–10]. Überholvorgänge erhöhen das Konflikt- und Kollisionsrisiko mit anderen Zweirädern stark [11,12].

In einigen Studien wurde das Unfallrisiko von E-Trottinett-Fahrenden mit dem von Velofahrenden verglichen [14–16]. Dabei zeigte sich, dass E-Trottinett-Fahrende pro gefahrenen Kilometer ein höheres Unfallrisiko haben als Velofahrende ((siehe Text zu E-Trottinett – Verletzlichkeit Zielgruppe)). Dieser Unterschied dürfte jedoch auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sein, wie beispielsweise unterschiedliche Geschwindigkeit und Stabilität der Fahrzeuge oder unterschiedliche Helmtragquoten.

Unfallrelevanz

Gemäss der amtlichen Unfallstatistik sind 7 % der schweren Personenschäden von E-Trottinett-Fahrenden auf nicht angepasste oder überhöhte Geschwindigkeit ihrerseits zurückzuführen (Hauptursache). Bei den schweren Alleinunfällen von E-Trottinett-Fahrenden liegt dieser Anteil bei 9 %, bei Kollisionen ist ihre Geschwindigkeit nur selten die Hauptursache (ca. 1 %). 

Hinweise

E-Trottinette werden in der Schweiz der Kategorie der Motorfahrräder zugeordnet, je nach Höchstgeschwindigkeit der Unterkategorie Leicht-Motorfahrräder oder Motorfahrräder. In den Texten zu E-Trottinetten beziehen wir uns auf E-Trottinette der Unterkategorie Leicht-Motorfahrräder. In dieser Kategorie dürfen Fahrzeuge rein motorbetrieben eine Geschwindigkeit von höchstens 20 km/h erreichen.
Zu beachten ist, dass die amtliche Verkehrsunfallstatistik bei E-Trottinett-Unfällen eine hohe Dunkelziffer aufweist, insbesondere bei Alleinunfällen und Unfällen mit leichten Verletzungsfolgen. Dies erschwert verallgemeinerbare Aussagen auf Grundlage dieser Statistik.

Quellen

[1] Niemann S. Geschwindigkeit auf Schweizer Strassen: Pilotprojekt zur Erhebung des Geschwindigkeitsverhaltens von Motorfahrzeuglenkenden. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2020. Forschung 2.378. DOI:10.13100/BFU.2.378.01.2020.

[2] European Transport Safety Council ETSC, Parliamentary Advisory Council for Transport Safety, Hg. Recommendations on Safety of E-scooters; 2023.

[3] Mayer E, Breuss J, Robatsch K et al. E-Scooter im Strassenverkehr: Unfallzahlen, Risikoeinschätzung, Wissenstand und Verhalten von E-Scooter-Fahrern im Strassenverkehr. Wien: Kuratorium für Verkehrssicherheit KfV; 2020. KFV – Sicher Leben 24.

[4] Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. GDV. Verkehrssicherheit von E-Scootern: Unfallforschung kompakt Nr. 110. Berlin: Unfallforschung der Versicherer UDV; 2021. Unfallforschung kompakt Nr. 110.

[5] Scaramuzza G, Uhr A, Niemann S. E-Bikes im Strassenverkehr – Sicherheitsanalyse. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2015. BFU-Report 72.

[6] Schleinitz K, Petzoldt T, Krems JF, Gehlert T. The influence of speed, cyclists’ age, pedaling frequency, and observer age on observers’ time to arrival judgments of approaching bicycles and e-bikes. Accid Anal Prev. 2016; 92: 113–121. DOI:10.1016/j.aap.2016.03.020.

[7] Petzoldt T, Schleinitz K, Krems JF, Gehlert T. Drivers’ gap acceptance in front of approaching bicycles – Effects of bicycle speed and bicycle type. Saf Sci. 2017; 92: 283–289. DOI:10.1016/j.ssci.2015.07.021.

[8] Renard A, Fleury J, Junod L et al. Vélos électriques – effets sur le système de transports. Bern; 2017.

[9] Alrutz D, Bohle W, Hacke U et al. Potenzielle Einflüsse von Pedelecs auf die Verkehrssicherheit: Forschungsarbeit der Bundesanstalt für Strassenwesen – Schlussbericht. Hannover/Darmstadt: Planungsgemeinschaft Verkehr PSV-Alrutz; Institut für Wohnen und Umwelt IWU; 2015.

[10] Uhr A, Hertach P. Verkehrssicherheit von E-Bikes mit Schwerpunkt Alleinunfälle. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2017. BFU-Report 75. DOI:10.13100/bfu.2.340.01

[11] Vlakveld W, Mons C, Kamphuis K et al. Traffic conflicts involving speed-pedelecs (fast electric bicycles): A naturalistic riding study. Accid Anal Prev. 2021; 158(2): 106201. DOI:10.1016/j.aap.2021.106201.

[12] SWOV Institute for Road Safety Research. Pedelecs and speed pedelecs. The Hague: SWOV; 2022. SWOV Fact sheet.

[13] Twisk DAM, Stelling A, van Gent P et al. Speed characteristics of speed pedelecs, pedelecs and conventional bicycles in naturalistic urban and rural traffic conditions. Accid Anal Prev. 2021; 150(2): 105940. DOI:10.1016/j.aap.2020.105940.

[14] Cicchino JB, Kulie PE, McCarthy Melissa L. Injuries related to electric scooter and bicycle use in a Washington, DC, emergency department. Arlington, VA; 2020.

[15] Erste Unfallbilanz für E-Scooter - Was sagen die Zahlen über ihre Sicherheit aus? DLR Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Hg; 2020. https://www.dlr.de/de/aktuelles/nachrichten/2020/03/20200728_erste-unfallbilanz-fuer-e-scooter. 17.06.2024.

[16] Olsson B. E-Scooter safety – Experiences from Denmark: Presentation at ETSC January 2022. European Transport Safety Council ETSC, Hg; 2022. https://etsc.eu/wp-content/uploads/Denmark.pdf. 17.06.2024.

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