Drogen und Medikamente als Risikofaktor bei Verkehrsunfällen von Erwachsenen

Drogen und Medikamente können das Unfallrisiko im Strassenverkehr erhöhen. Personen im Alter von 25 bis 64 Jahren sind unter den Hauptverursachenden von schweren Unfällen aufgrund solcher Substanzen leicht überproportional vertreten.

Ausgangslage

Das Fahren unter Einfluss von Drogen und von bestimmten Medikamenten stellt ein Problem für die Verkehrssicherheit dar. Drogen wie z. B. Cannabis, Kokain oder Amphetamine sowie psychoaktive Medikamente wie z. B. Benzodiazepine, Antidepressiva oder opioidhaltige Schmerzmittel beeinflussen das Bewusstsein, die Wahrnehmung oder den Gemütszustand.

Je nach Substanz kann der Konsum z. B. zu Schläfrigkeit, verlängerten Reaktionszeiten oder zu risikoreicherem Verhalten führen. Die kognitiven und körperlichen Fähigkeiten werden beeinträchtigt, unabhängig davon, ob die psychoaktiven Substanzen legal (psychoaktive Medikamente) oder illegal (Drogen) sind [1].

Auch andere, nicht psychoaktive Medikamente können negative Auswirkungen haben – z. B. Blutdruckmedikamente, die bei zu starker Senkung des Blutdrucks zu Schwindel führen können. Man schätzt, dass in der Schweiz und in Europa etwa ein Fünftel der zugelassenen Medikamente einen negativen Einfluss auf das Fahrverhalten haben können [2,3].

Verbreitung

In Zusammenhang mit Drogen und Medikamenten lässt sich ein Alterseffekt erkennen: Jüngere Altersgruppen konsumieren häufiger Drogen, während bei älteren Menschen der Medikamentenkonsum tendenziell ansteigt [4,5].

Gemäss der Bevölkerungsbefragung 2024 fahren in der Schweiz 2 % der Lenkerinnen und Lenker von Personenwagen (PW) zumindest ab und zu unter dem Einfluss von Drogen und 13 % ab und zu unter dem Einfluss von Medikamenten, welche die Fahrfähigkeit beeinträchtigen können [6]. Die entsprechenden Anteile bei den Motorradfahrenden betragen 3 % bzw. 9 % und bei den Velo- und E-Bike-Fahrenden 4 % bzw. 13 %. Bei den Nutzenden von E-Trottinetten gaben 8 % an, zumindest gelegentlich unter Drogeneinfluss gefahren zu sein.

Ähnliche Anteile finden sich jeweils in der Altersgruppe der 25- bis 64-Jährigen bei den genannten Mobilitätsformen, sowohl im Hinblick auf Drogen- als auch auf Medikamentenkonsum. Diese Daten beruhen jedoch auf Selbstauskünften. Die Antworten können daher durch soziale Erwünschtheit und Schuldgefühle der Befragten verzerrt sein [1].

Objektive Daten werden durch sogenannte «Roadside Surveys» gewonnen (siehe Hinweis 1). In den Kantonen Freiburg, Wallis und Waadt wurden solche Studien in den Zeiträumen 2006–2008 sowie 2017–2020 durchgeführt [7]. In beiden Studien wurde bei jeweils 11 % der getesteten Personen mindestens eine verkehrsrelevante Substanz nachgewiesen. Bei 4 % bzw. 5 % der Teilnehmenden wurden illegale Drogen (insbesondere Kokain und Cannabis), bei 8 % bzw. 6 % Medikamente (insbesondere Benzodiazepine und Antidepressiva) nachgewiesen [7].

Beide Studien ergaben, dass das Durchschnittsalter der Fahrzeuglenkenden unter Drogeneinfluss unterdurchschnittlich und jenes der Fahrzeuglenkenden unter Medikamenteneinfluss überdurchschnittlich hoch war.

Die Übertragbarkeit der Resultate auf die ganze Schweiz ist aufgrund der geringen Stichprobengrössen jedoch nicht uneingeschränkt möglich.

Gefährlichkeit

Der Konsum von Drogen und von die Fahrfähigkeit beeinträchtigenden Medikamenten erhöht das Unfall- und Verletzungsrisiko im Strassenverkehr deutlich. Im Rahmen des Sicherheitsdossiers «Beeinträchtigte Fahrfähigkeit von Motorfahrzeuglenkenden» wurde die Gefährlichkeit verschiedener Substanzen auf der Basis von Metaanalysen bewertet [8].

Das höchste Gefahrenpotenzial weisen der Mischkonsum, also der gleichzeitige Konsum verschiedener Substanzen (inkl. Alkohol) sowie der Konsum von Amphetaminen auf (Odds ratios von 14,2 bis 39,2; siehe Hinweis 2). Für einige Substanzgruppen wie Cannabis, Kokain oder auch Medikamente wie Opioide weisen die Ergebnisse eine relativ grosse Variabilität in Bezug auf das Gefahrenpotenzial auf. Die Spannbreite der Resultate ist einerseits auf methodische Aspekte der Studien zurückzuführen, andererseits auch auf unterschiedliche Auswirkungen verschiedener Substanzen innerhalb einer Substanzgruppe.

Unfallrelevanz

Drogen und Medikamente sind laut Unfallstatistik die Hauptursache für 1,6 % aller schweren Unfälle in der Altersgruppe der 25- bis 64-Jährigen und für 1,4 % aller schweren Unfälle über alle Altersgruppen hinweg (Ø 2019–2023) (s. Hinweis 3)[9]. Von den Personen, die aufgrund von Drogen- oder Medikamentenkonsum einen schweren Unfall erlitten haben, gehören 64 % zur Altersgruppe der 25- bis 64-Jährigen. Unter denjenigen, die zudem die Hauptverursachenden des Unfalls waren, lag der Anteil bei 69 %, was auf eine leichte Überrepräsentation dieser Altersgruppe in dieser Rolle hinweist.

Hinweise

  1. «Roadside Surveys» dienen der Ermittlung der Prävalenz psychoaktiver Substanzen bei Verkehrsteilnehmenden. Sie werden meist in Zusammenarbeit mit der Polizei im Rahmen von zufälligen Verkehrskontrollen durchgeführt. Nach der Kontrolle durch die Polizei werden die Lenkenden zur Teilnahme an der Studie eingeladen. Die Teilnahme umfasst in der Regel das Ausfüllen eines Fragebogens und die Entnahme biologischer Proben wie Speichel oder Blut, die dann im Labor auf psychoaktive Substanzen untersucht werden.

  2. Die Odds Ratio (OR) gibt an, um wie viel sich die Chance (Englisch: odds) für das Eintreten eines Ereignisses durch einen Einflussfaktor verändert. Zur Berechnung werden in einem ersten Schritt die Odds für ein Ereignis bei Vorhandensein des Einflussfaktors und die Odds für ein Ereignis bei Nichtvorhandensein des Einflussfaktors berechnet. «Odds» sind definiert als das Verhältnis der Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis eintritt, zu der Wahrscheinlichkeit, dass es nicht eintritt. Diese beiden Odds werden dann zueinander ins Verhältnis gesetzt (Odds Ratio). Wie das Relative Risiko kann auch die Odds Ratio einen Wert zwischen 0 und unendlich annehmen. Auch hier weist eine OR > 1 auf einen positiven Zusammenhang hin.

  3. Wie beim Alkohol muss auch bei Drogen und Medikamenten in den offiziellen Unfalldaten von einer Dunkelziffer ausgegangen werden [10]. In der Schweiz wurde mit der Einführung des neuen polizeilichen Unfallaufnahmeprotokolls im Jahr 2018 auch die Erfassung des Subtanzkonsums systematisiert. Die Dunkelziffer dürfte daher nicht mehr so hoch sein wie in früheren Jahren. Dennoch ist davon auszugehen, dass Drogen und Medikamente als Ursache von schweren Verkehrsunfällen von Personen in der Altersgruppe der 25- bis 64-Jährigen in der Unfallstatistik unterschätzt werden.

Quellen

[1] Organisation for Economic Co-Operation and Development OECD, Forum International des Transports. Drogues au volant: Détection et dissuasion. Paris: Organisation for Economic Co-Operation and Development OECD; 2010.

[2] Schulze H, Schumacher M, Urmeew R et al. Driving under the influence of drugs, alcohol and medicines in Europe – findings from the DRUID project. Luxembourg: European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction EMCDDA; 2012. DOI:10.2810/74023.

[3] Oesch-Storch S, Dommer Schwaller J. Teil II: Sicheres Fahren mit Medikamenten. pharmActuel; 2018(4): 22–43.

[4] Bundesamt für Statistik BFS. Schweizerische Gesundheitsbefragung: Ergebnisse 2022: Konsum von Psychopharmaka. https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/aktuell/neue-veroeffentlichungen.assetdetail.30305831.html. Zugriff am Zugriff am 05.03.2024.

[5] Bundesamt für Statistik BFS. Schweizerische Gesundheitsbefragung: Ergebnisse 2022: Drogenkonsum insgesamt. https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/aktuell/neue-veroeffentlichungen.assetdetail.30305686.html. Zugriff am Zugriff am 05.03.2024.

[6] BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung. BFU-Bevölkerungsbefragung 2024: Jährlich wiederkehrende Befragung der Schweizer Wohnbevölkerung zu Themen im Bereich der Nichtberufsunfälle. Bern: BFU; 2024.

[7] Joye T, Déglon J, Donzé N et al. Randomly controlled drivers using minimal-invasive sampling: assessment of the drug prevalence in Western Switzerland over two time periods. BMC Public Health. 2022; 22(1): 2446. DOI:10.1186/s12889-022-14883-2.

[8] Hertach P, Uhr A, Niemann S et al. Beeinträchtigte Fahrfähigkeit von Motorfahrzeuglenkenden. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2020. Sicherheitsdossier 2.361. DOI:10.13100/BFU.2.361.01.

[9] Hertach P, Uhr A, Achermann Stürmer Y et al. Sinus 2024: Sicherheitsniveau und Unfallgeschehen im Strassenverkehr 2023. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2024. DOI:10.13100/bfu.2.536.01.2024.

[10] Vissers L, Houwing S, Wegman F. Alcohol-related road casualties in official crash statistics. Paris: International Transport Forum ITF; 2017.

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