Drogen und Medikamente als Risikofaktor bei Motorradunfällen

Drogen und Medikamente erhöhen das Unfallrisiko beim Motorradfahren. Die Unfallrelevanz ist jedoch im Vergleich zu anderen Unfallursachen eher gering.

Ausgangslage

(Illegale) Drogen und Medikamente können die Fahrfähigkeit reduzieren. Drogen werden nach ihrer Wirkung in drei Gruppen eingeteilt: 

  • Sedierend (z. B. Heroin)
  • Stimulierend (z. B. Kokain)
  • Halluzinogen (z. B. LSD)

Je nach Substanz kann der Konsum zu Schläfrigkeit oder verlängerten Reaktionszeiten, aber auch zu risikoreicherem Verhalten führen [1]. 

Etwa ein Fünftel der zugelassenen Medikamente kann die Fahrfähigkeit beeinträchtigen [2]. Medikamente können die visuellen, kognitiven und motorischen Fähigkeiten beeinflussen, die für das Lenken eines Motorrads erforderlich sind. 

Bei vielen Medikamenten ist die Einschränkung der Fahrfähigkeit auf die sedierende Wirkung, d. h. auf die Dämpfung des zentralen Nervensystems zurückzuführen. Dies äussert sich z. B. durch Schläfrigkeit, verlängerte Reaktionszeiten oder Konzentrationsschwäche. Aber auch stimulierende Medikamente können die Fahrfähigkeit beeinträchtigen (z. B. psychoaktive Substanzen) [3]. Andererseits ermöglichen Medikamente in bestimmten Fällen überhaupt erst die Teilnahme am Strassenverkehr.

Insgesamt hat sich der gleichzeitige Konsum mehrerer Substanzen (Kombination von Drogen und Medikamenten) als besonders gefährlich erwiesen.

Die negativen Auswirkungen von Drogen und Medikamenten auf sensomotorische Koordinationsleistungen (z. B. auf den Gleichgewichtssinn) stellen für Motorradlenkende ein besonders hohes Risiko dar, da sie direkt Fähigkeiten beeinträchtigen, die für das sichere Führen eines von Natur aus instabilen Fahrzeugs unerlässlich sind. 

Verbreitung

In der Bevölkerungsbefragung 2024 der BFU gaben von rund 225 befragten Motorradlenkenden 2 % an, selten nach dem Konsum von Drogen Motorrad zu fahren. Rund 8 % der befragten Motorradlenkenden gaben an, selten nach der Einnahme von Medikamenten zu fahren, die laut Packungsbeilage die Fahrfähigkeit beeinflussen können [4].

In der «E-Survey of Road users’ Attitudes» (ESRA) 2023 gaben mit 15,3 % deutlich mehr Befragte in der Schweiz (n = 979) an, in den letzten 30 Tagen mindestens einmal nach dem Konsum von Drogen Motorrad gefahren zu sein. Frauen gaben dies mit einer um 26 % geringeren Wahrscheinlichkeit an als Männer, ebenso Motorradlenkende über 55 Jahre im Vergleich zu Motorradlenkenden im Alter von 18 bis 34 Jahren (35–54 Jahre: OR = 0,92; 55–74 Jahre: OR = 0,54) [5].

Gefährlichkeit

Spezifische Untersuchungen zum Einfluss von Drogen- und Medikamentenkonsum auf das Unfallrisiko von Motorradlenkenden liegen kaum vor. 

Es ist jedoch davon auszugehen, dass die negativen Auswirkungen von illegalen Drogen und Medikamenten auf die Fahrfähigkeit von Motorradlenkenden mindestens ebenso stark, wenn nicht sogar stärker sind als bei Lenkenden von Personenwagen (PW). Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Fahrzeugbeherrschung beim Motorradfahren mehr motorische Fertigkeiten wie Balance und Koordination erfordert. 

Zum Unfallrisiko von PW-Lenkenden im Zusammenhang mit Drogen und Medikamenten liegen zahlreiche Untersuchungen vor. Das Risiko, bei einem Unfall verletzt oder getötet zu werden, variiert je nach Art der Substanz. Im Folgenden ist das Gefahrenpotenzial von Drogen, Medikamenten und dem Mischkonsum am Steuer von Personenwagen aufgelistet [1]1. 

Beispiel: Der Mischkonsum von Drogen und Medikamenten von PW-Lenkenden führt zu einem mindestens vier- bis über achtmal höheren Unfallrisiko. 

Drogen: 1 (bis 8+)

  • Cannabis: 1 (bis < 4)
  • Amphetamine: > 4 (bis 8+)

Kokain: 1,2 (bis < 4)

  • Medikamente: 1 (bis < 8)
  • Benzodiazepine, Z-Medikamente: 1 (bis < 8)  
  • Antidepressiva: 1,2 bis < 2
  • Opioide (illegal und legal): 1 (bis < 8)  

Mischkonsum: 4 (bis 8+)  

Das hier dargestellte Gefahrenpotenzial basiert auf den Odds Ratios2 verschiedener Metaanalysen (siehe [1]). Die Bereiche der Odds Ratios sind in Klammern angegeben, da in den verschiedenen Metaanalysen unterschiedliche Werte gefunden wurden und diese mit gewissen Unsicherheiten behaftet sind.

Unfallrelevanz

In den letzten fünf Jahren (2019–2023) verunfallten insgesamt 41 Motorradfahrende unter dem Einfluss von Drogen und Medikamenten (Hauptursache) schwer, zwei wurden getötet. Zwei weitere Verkehrsteilnehmende wurden bei diesen Unfällen schwer verletzt. Werden Drogen und Medikamente als Mitursache bei den Motorradunfällen berücksichtigt, erhöhen sich die Zahlen auf 137 schwer verletzte und zehn getötete Motorradfahrende sowie neun schwere Personenschäden bei anderen Verkehrsteilnehmenden. Insgesamt sind 4 % der schweren Personenschäden auf den Konsum von Drogen oder Medikamenten durch Motorradfahrende zurückzuführen. Damit spielt dieser Risikofaktor eine eher untergeordnete Rolle. Allerdings muss auch bei den Motorradunfällen von einer Dunkelziffer ausgegangen werden.

Hinweise

  1. Die Odds Ratio (OR) gibt an, um wie viel sich die Chance (Englisch: odds) für das Eintreten eines Ereignisses durch einen Einflussfaktor verändert. Zur Berechnung werden in einem ersten Schritt die Odds für ein Ereignis bei Vorhandensein des Einflussfaktors und die Odds für ein Ereignis bei Nichtvorhandensein des Einflussfaktors berechnet. «Odds» sind definiert als das Verhältnis der Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis eintritt, zu der Wahrscheinlichkeit, dass es nicht eintritt. Diese beiden Odds werden dann zueinander ins Verhältnis gesetzt (Odds Ratio). Wie das Relative Risiko kann auch die Odds Ratio einen Wert zwischen 0 und unendlich annehmen. Auch hier weist eine OR > 1 auf einen positiven Zusammenhang hin [1].

  2. Die Originalquellen und eine ausführliche Darstellung der Metaanalysen zur Bestimmung der Gefährlichkeit finden sich in [1].

Quellen

[1] Hertach P, Uhr A, Niemann S et al. Beeinträchtigte Fahrfähigkeit von Motorfahrzeuglenkenden. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2020. Sicherheitsdossier 2.361. DOI:10.13100/BFU.2.361.01.

[2] Oesch-Storch S, Dommer Schwaller J. Teil II: Sicherees Fahren mit Medikamenten. pharmActuel. 2018; 2018(4): 22–43.

[3] Leblud J. Driving under the influence: Legal and illegal drugs, European road safety decision support system. Developed by the H2020 project SafetyCube; 2017.

[4] BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung. BFU-Bevölkerungsbefragung 2024: Jährlich wiederkehrende Befragung der Schweizer Wohnbevölkerung zu Themen im Bereich der Nichtberufsunfälle. Bern: BFU; 2024.

[5] Vias Institute. Switzerland – ESRA3 Country Fact Sheet. ESRA3 survey (E-Survey of Road users’ Attitudes). Version 2 (01/2024): Vias Institute; 2023.

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