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Sensibilisierung zur Prävention von Verkehrsunfällen von Kindern

Sensibilisierungsmassnahmen für Kinder – aber vor allem für Eltern und Motorfahrzeuglenkende – sind wichtig und können die Verkehrssicherheit von Kindern verbessern. Doch sie haben auch ihre Grenzen.
  • Einleitung
  • Sensibilisierung von Kindern
  • Sensibilisierung von Eltern und Betreuungspersonen
  • Sensibilisierung von Motorfahrzeuglenkenden
  • Fazit
  • Quellen
  • Einleitung
  • Sensibilisierung von Kindern
  • Sensibilisierung von Eltern und Betreuungspersonen
  • Sensibilisierung von Motorfahrzeuglenkenden
  • Fazit
  • Quellen

Einleitung

Sensibilisierungsmassnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit von Kindern richten sich an verschiedene Zielgruppen: Kinder selbst, Eltern und Betreuungspersonen sowie Motorfahrzeuglenkende.

Zu diesen Massnahmen zählen beispielsweise Lernspiele für Kinder, Informationsbroschüren und Videos für Eltern und Betreuungspersonen oder Social-Media-Beiträge und massenmediale Kampagnen für Motorfahrzeuglenkende. Kinder werden z. B. für Verkehrsgefahren und sicheres Verhalten sensibilisiert. Eltern dafür, wie sie ihre Kinder schützen und ihnen sicheres Verhalten beibringen können. Motorfahrzeuglenkende werden für die Schwierigkeiten und besonderen Verhaltensweisen von Kindern im Strassenverkehr sensibilisiert und an ihre Vorsichtspflicht erinnert.

Sensibilisierung von Kindern

Aktuelle Situation

Für Kinder im Kindergarten- und Primarschulalter (Zyklus 1 und 2) existieren verschiedene Sensibilisierungsmaterialien, die meist über die Verkehrsinstruktion in der Schule oder via die Eltern verteilt werden. Die Verkehrsbildung von Kindern erfolgt jedoch häufiger durch direkte Vermittlungspersonen wie Verkehrsinstruktorinnen und -instruktoren, Lehrpersonen oder Eltern und weniger durch reine Sensibilisierungsmassnahmen. Weitere Informationen hierzu finden sich auf einer separaten Seite (Verweis Aus- und Weiterbildung Kinder). Für Kinder im Oberstufenalter (Zyklus 3) sind weniger Sensibilisierungsmaterialien vorhanden.

Präventionsnutzen

Reine Sensibilisierungsmassnahmen für Kinder ohne viel Interaktion mit Vermittlungspersonen können zwar dazu beitragen, das Gefahrenbewusstsein und das Präventionswissen der Kinder zu erhöhen. Der Nutzen dürfte aber insbesondere bei jüngeren Kindern sehr begrenzt sein, da diese für einen nachhaltigen Lernprozess konkretes Handeln und Üben in realen Verkehrssituationen benötigen [1]. Bei älteren Kindern dürften Sensibilisierungsmassnahmen wirksamer sein als bei jüngeren, da sie über ein besseres konzeptionelles Verständnis verfügen. Allerdings wird edukativen Interventionen (v. a. bez. Gefahrensensibilisierung und Verhaltensänderung) im späteren Kindes- und Jugendalter mit weniger Motivation begegnet [1].

Optimierungspotenzial

Es sollten mehr Sensibilisierungsmaterialien für Kinder im Oberstufenalter (Zyklus 3) entwickelt werden. Der Fokus sollte dabei auf den persönlichen Einstellungen liegen – z. B. betreffend Risikovermeidung, Gruppendruck und Selbstüberschätzung [2]. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass persönliche Kommunikation, Diskussionen und soziale Interaktion wirksamer sind als die blosse Beschäftigung mit Sensibilisierungsmaterialien im Einzelsetting [3].

Sensibilisierung von Eltern und Betreuungspersonen

Aktuelle Situation

Eltern und Betreuungspersonen spielen eine zentrale Rolle, wenn es um die Verkehrssicherheit von Kindern geht. Sie erziehen die Kinder zu sicherem Verhalten, sind Vorbilder und treffen Entscheidungen über die Mobilität und Schutzausrüstung der Kinder. 

Viele Eltern schöpfen dieses Potenzial jedoch nicht optimal aus, da sie sich dieser Aufgabe teilweise nicht oder zu wenig bewusst sind [4,5] und das verkehrssichere Verhalten ihrer Kinder häufig überschätzen [3,6]. Eltern und Betreuungspersonen sollten daher für die entwicklungsbedingten Herausforderungen von Kindern im Strassenverkehr, für Gefahren und Sicherheitsmassnahmen sensibilisiert werden. Gleichzeitig sollten sie motiviert und befähigt werden, ihre Rolle in der Verkehrserziehung aktiv wahrzunehmen [1].

Es gibt bereits verschiedene Sensibilisierungsmaterialien für Eltern und Betreuungspersonen, die über Schulen, Behörden und Verkehrssicherheitsorganisationen verbreitet werden. Viele Materialien beziehen sich auf jüngere Kinder. In Bezug auf Kinder im Oberstufenalter (Zyklus 3) sind kaum Materialien für Eltern und Betreuungspersonen vorhanden.

Präventionsnutzen

Gut konzipierte Sensibilisierungsmassnahmen für Eltern können dazu beitragen, ihr Bewusstsein für die Herausforderungen von Kindern im Strassenverkehr, die notwendigen Sicherheitsmassnahmen und ihre Rolle in der Verkehrsbildung zu schärfen.
 
Studien zeigen, dass die Wirkung von Verkehrserziehungsmassnahmen für Kinder durch das Einbeziehen der Eltern verstärkt werden kann [3,6]. Allerdings erzielen nicht alle Programme die gewünschte Wirkung. Wirksam scheinen vor allem Programme zu sein, die Eltern praxisnah in der Unterweisung ihrer Kinder schulen und auf verhaltenstheoretischen Ansätzen basieren [7]. Dies dürfte durch reine Sensibilisierungsmassnahmen eher schwierig zu bewerkstelligen sein. Breitenwirksame Sensibilisierungsmassnahmen können jedoch den Grundstein dafür legen, dass Eltern sich später intensiver mit dem Thema befassen und tiefenwirksame Angebote nutzen (z. B. ein Erklärvideo schauen).

Zu bedenken ist auch, dass Eltern zwar Einfluss auf das Verhalten der Kinder im Strassenverkehr nehmen können, diese sind aber entwicklungsbedingt nicht immer in der Lage, das vermittelte Verhalten zuverlässig umzusetzen.

Optimierungspotenzial

Sensibilisierungsmaterialien für Eltern und Betreuungspersonen sind zahlreich vorhanden, teilweise auch mit praxisnahen Tipps. Wichtig ist, dass diese Materialien möglichst viele Eltern und Betreuungspersonen erreichen. Dazu könnten z. B. Informationsabende vor der Einschulung oder thematische Elternabende beitragen. Gerade bei schwer erreichbaren Zielgruppen wäre zudem eine aufsuchende Präventionsarbeit optimal [8,9]. Dabei gilt es, die Besonderheiten der Zielgruppe (z. B. hinsichtlich Bildung, Sprachkenntnissen, soziokulturellem Hintergrund) zu berücksichtigen und die Zielgruppen in die Entwicklung einzubeziehen [8].

Weiter besteht Bedarf an Sensibilisierungsmaterialien für Eltern und Betreuungspersonen von Kindern im Oberstufenalter (Zyklus 3). Kinder dieser Altersgruppe verfügen zwar über die elementaren Fähigkeiten für die sichere Verkehrsteilnahme. Aber auch sie verhalten sich nicht immer zuverlässig, z. B. bei Ablenkung, sozialer Interaktion mit Gleichaltrigen oder infolge der zunehmenden Risikofreudigkeit. Zudem dürfte es auch ihnen noch an Erfahrung mit komplexen Verkehrssituationen und Verständnis für gewisse Gefahrensituationen fehlen [10]. Gleichzeitig werden ihre Wege anspruchsvoller und sie sind häufiger selbstständig mit Velos oder Mofas und mit Gleichaltrigen unterwegs. Eltern sollten gezielt über spezifische Herausforderungen dieser Altersstufe informiert und ermutigt werden, sich auch noch um das Verkehrsverhalten ihrer Kinder zu kümmern, wenn diese bereits älter sind. 

Sensibilisierung von Motorfahrzeuglenkenden

Aktuelle Situation

Zum Beginn des Schuljahres werden in der Schweiz von verschiedenen Organisationen Sensibilisierungskampagnen für Motorfahrzeuglenkende durchgeführt, darunter eine grosse Schulwegkampagne, die vom Fonds für Verkehrssicherheit finanziert wird. Teilweise werden auch während des Jahres zusätzliche Aktionen durchgeführt. 

Diese Massnahmen sensibilisieren Motorfahrzeuglenkende für die besonderen Herausforderungen, denen Kinder im Strassenverkehr begegnen. Sie betonen die Notwendigkeit einer vorausschauenden Fahrweise und geben konkrete Verhaltensempfehlungen. Der Schwerpunkt liegt auf jüngeren Kindern [11]. Vereinzelt werden auch die Herausforderungen von älteren Kindern angesprochen.

Präventionsnutzen

Es liegen kaum (publizierte) Evaluationsergebnisse zur Wirksamkeit von Schulwegkampagnen oder anderen Sensibilisierungsmassnahmen für Motorfahrzeuglenkende auf die Verkehrssicherheit von Kindern vor [11]. 

Befragungen zeigen jedoch, dass das Wissen und die Einstellungen der Motorfahrzeuglenkenden zu den Schwierigkeiten der Kinder und der eigenen Vorsichtspflicht ziemlich ausgeprägt sind [12]. Es ist davon auszugehen, dass die wiederkehrenden Schulwegkampagnen dazu beigetragen haben. Unklar ist aber, inwiefern dieses Bewusstsein und Wissen sich in tatsächlichem Verhalten und in der Reduktion der Unfallzahlen niederschlägt.

Mehr Informationen zum Nutzen und zu den Einflussfaktoren von Sensibilisierungsmassnahmen zur Erhöhung der allgemeinen Verkehrssicherheit finden sich in einem separaten Text (Verweis Alle – Sensibilisierungsaktionen).

Optimierungspotenzial

Sensibilisierungsmassnahmen für Motorfahrzeuglenkende sollten nicht nur die Belange der jüngeren, sondern auch jene der älteren Kinder berücksichtigen. Diese weisen ein höheres Unfallrisiko auf; Motorfahrzeuglenkende müssen auch für deren spezifische Herausforderungen sensibilisiert werden [11].

Durch die gezielte Verknüpfung mit anderen Präventionsaktivitäten wie z. B. Polizeikontrollen zur Einhaltung der Anhaltepflicht an Fussgängerstreifen kann die Wirkung von Sensibilisierungskampagnen erhöht werden. Die Koordination der Aktivitäten verschiedener Organisationen stellt sicher, dass alle relevanten Aspekte der Kinderunfallprävention abgedeckt und Ressourcen effizient genutzt werden.

Fazit

Sensibilisierungsmassnahmen für Kinder – vor allem aber für Eltern und Motorfahrzeuglenkende – sind wichtig und können die Verkehrssicherheit von Kindern verbessern. Ihre alleinige Wirkung dürfte aber begrenzt sein. Neben breitenwirksamen Sensibilisierungsmassnahmen sollten auch tiefenwirksame Ansätze zur Anwendung kommen, etwa praxisnahe Schulungen für Eltern. Die Wirkung massenmedialer Kampagnen für Motorfahrzeuglenkende könnte durch eine Verknüpfung mit Enforcement-Massnahmen verstärkt werden. Sensibilisierungsmassnahmen sollten nicht nur die Herausforderungen für jüngere Kinder, sondern auch jene für ältere Kinder thematisieren.

Quellen

[1] Uhr A, Allenbach R, Ewert U et al. Sicherheit von Kindern im Strassenverkehr. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2017. Sicherheitsdossier Nr. 16. DOI:10.13100/bfu.2.280.01.

[2] Dragutinovic N, Twisk DAM. The effectiveness of road safety education: A literatur review. Leidschendam, NL: Institute for Road Safety Research SWOV; 2006 R-2006-6.

[3] ROSE 25. Inventory and compiling of a European Good Practice Guide on Road safety education targeted at young people. Booklet Good Practice Guide on Road Safety Education. Kuratorium für Verkehrssicherheit KfV, Hg; 2005.

[4] Morrongiello BA, Barton BK. Child pedestrian safety: Parental supervision, modeling behaviors, and beliefs about child pedestrian competence. Accid Anal Prev. 2009; 41(5): 1040–1046.

[5] Zeedyk MS, Kelly L. Behavioural observations of adult–child pairs at pedestrian crossings. Accid Anal Prev. 2003; 35(5): 771–776.

[6] Rivara FP, Booth CL, Bergman AB et al. Prevention of pedestrian injuries to children: effectiveness of a school training program. Pediatrics. 1991; 88(4): 770–775.

[7] O’Toole SE, Christie N. Educating parents to support children’s road safety: a review of the literature. Transp Rev. 2019; 39(3): 392–406.

[8] Walter E, Achermann Stürmer Y, Schürch B. Sensibilisierung der Eltern von Rad fahrenden Kindern: Instrument zur Qualitätsentwicklung von Projekten. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2013. bfu-Grundlagen.

[9] Reutter U, Suhl K. Kinder mit Migrationshintergrund. Hinweise zu Mobilitaetsverhalten und Verkehrssicherheit. ZVS. 2012; 58(1): 29–34.

[10] Degener S, Marthaler K, Schürch B et al. Schulweg: Leitfaden für Schulwegplanung. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2023. Fachdokumentation 2.365.

[11] Klimmt C. Der sichere Schulweg als Gegenstand von Verkehrssicherheitskampagnen [Expertise für den Fonds für Verkehrssicherheit (FVS)]. Bern; 2021.

[12] iaKom. Institut für angewandte Kommunikationsforschung. FVS-Monitor: Wissen, Einstellung und Verhalten von Verkehrsteilnehmenden in der Schweiz; 2024. https://fvs-monitor.iakom.ch/. 23.09.2024.

[13] Phillips RO, Ulleberg P, Vaa T. Meta-analysis of the effect of road safety campaigns on accidents. Accid Anal Prev. 2011; 43(3): 1204–1218. DOI:10.1016/j.aap.2011.01.002.

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