Einleitung
Polizeikontrollen zielen darauf ab, Verkehrsregeln durchzusetzen und Verstösse zu verhindern. Dabei kann Verschiedenes kontrolliert werden, z. B. die Einhaltung der Geschwindigkeit, das Fahren unter Einfluss von Substanzen (Alkohol, Drogen und Medikamente), die Ablenkung der Lenkerinnen und Lenker, der technische Zustand der Fahrzeuge, die Nutzung von Sicherheitsgurten oder der Abstand zwischen den Fahrzeugen. Dieses Kapitel konzentriert sich auf die ersten drei Kontrollarten, da sie für 18- bis 24-Jährige besonders unfallrelevant sind.
Aktuelle Situation
Die rechtliche Grundlage für Verkehrskontrollen bildet in erster Linie die Strassenverkehrskontrollverordnung SVK (SR 741.013). Sie regelt die Befugnisse der Polizei bei Kontrollen im Strassenverkehr. Allgemeine Verkehrskontrollen und auch Alkoholkontrollen dürfen auf öffentlichen Strassen jederzeit und ohne konkreten Verdacht durchgeführt werden.
Für Kontrollen auf Drogen- oder Medikamenteneinfluss ist ein Anfangsverdacht erforderlich. Hinsichtlich der Strategie bei polizeilichen Kontrollen gibt es auf nationaler Ebene keine konkreten Vorschriften oder Empfehlungen. In Art. 5 SKV wird lediglich festgehalten, dass «die Behörden die Kontrollen schwerpunktmässig u. a. nach sicherheitsrelevantem Fehlverhalten und den Gefahrenstellen ausrichten». Zudem sollen die Kontrollen «stichprobenweise, systematisch oder im Rahmen von Grosskontrollen» durchgeführt werden. Es besteht also ein grosser Spielraum, wie genau die Polizei Kontrollen durchführt.
Über die Kontrolltätigkeit in der Schweiz liegen keine systematisch erhobenen Daten vor. Die Kontrolldichte in Bezug auf das Fahren unter Substanzeinfluss dürfte jedoch relativ gering sein: Gemäss Befragungsresultaten wurden 2021 lediglich 4 % der Autofahrenden einem Alkoholtest unterzogen und weniger als 1 % auf Drogeneinfluss kontrolliert [1]. Bei den in schwere Unfälle involvierten Motorfahrzeuglenkerinnen und -lenkern wurde laut amtlicher Statistik etwa bei drei Vierteln ein Alkoholtest angeordnet.
Befragungen zeigen, dass die grosse Mehrheit der Lenkenden von Personenwagen (PW) in der Schweiz nicht damit rechnet, kontrolliert zu werden [2]. Dies gilt insbesondere für Alkohol- und Handykontrollen, bei denen vier von fünf PW-Lenkenden die Kontrollwahrscheinlichkeit als gering bis sehr gering einschätzen. Bei Kontrollen zur Geschwindigkeit sind es etwa zwei von drei PW-Lenkenden. Junge Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren schätzen die Kontrollwahrscheinlichkeit ähnlich tief ein wie die Gesamtbevölkerung [3].
Präventionsnutzen
Kontrollen tragen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bei. Sowohl für Geschwindigkeits- als auch für Substanzkontrollen konnte die Wirksamkeit von Polizeikontrollen in verschiedenen Studien nachgewiesen werden [2,4].
Bei den Alkoholkontrollen sind die anlassfreien Kontrollen positiv zu bewerten. Insbesondere stationäre Kontrollen am Strassenrand entfalten eine grosse Wirkung. Bei Geschwindigkeitskontrollen ist eine Kombination verschiedener Kontrollarten sinnvoll: Während Kontrollen mit (semi-)stationären Messgeräten die Verkehrssicherheit lokal erhöhen, wirken Kontrollen mit bemannten stationären Messsystemen in grösseren Gebieten [2].
Hinsichtlich Kontrollen zu Ablenkung am Steuer (insbesondere Handynutzung) gibt es Hinweise aus der wissenschaftlichen Literatur, dass sich diese positiv auf die Verkehrssicherheit auswirken [5].
Ein zentrales Element für die Wirksamkeit von Kontrollen ist die Kontrollerwartung: Wer erwartet, kontrolliert zu werden, hält sich eher an die Verkehrsregeln. Die Kontrollerwartung ist dabei relevanter als die subjektive Sanktionshärte [6]. Neben einer Erhöhung der Kontrolldichte wirken sich folgende Elemente positiv auf die Kontrollerwartung und die präventive Wirkung von Kontrollen aus [2,6]:
- Hohe Sichtbarkeit der Kontrollen
- Regelmässige, kontinuierliche Durchführung der Kontrollen
- Fokus auf Unfallschwerpunkte oder Zeiten und Orte, an denen das Verhalten häufig auftritt
- Ergänzende zufällige Kontrollen
- Schwer zu umgehende Kontrollen
- Eine hohe Gewissheit der Sanktionierung
- Begleitende Öffentlichkeitsarbeit
Optimierungspotential
Gezielte Massnahmen im Zusammenhang mit Polizeikontrollen können zur Verbesserung der Verkehrssicherheit junger Erwachsener beitragen.
Ein zentraler Hebel dabei ist die Erhöhung der Kontrollerwartung – insbesondere durch eine dichtere Durchführung von Substanzkontrollen. In der Schweiz liegt die Alkohol-Kontrollquote aktuell nur bei rund der Hälfte der vom Europäischen Verkehrssicherheitsrat (ETSC) empfohlenen Mindestquote von 10 % [7]. Das heisst, in der Schweiz wird nur jede 20. Person im Strassenverkehr durchschnittlich einmal pro Jahr hinsichtlich Substanzen kontrolliert.
Idealerweise sollte laut ETSC jedoch jede und jeder dritte Fahrzeuglenkende jährlich auf Alkohol getestet werden. Auch in Bezug auf Ablenkung am Steuer dürfte aufgrund der niedrigen Kontrollerwartung eine erhöhte Kontrolldichte sicherheitsfördernd sein. Erfahrungen aus dem Kanton Tessin zeigen, dass umfangreiche Kontrollen zur Handynutzung möglich sind [8].
Bei Geschwindigkeitskontrollen ist die Kontrolldichte bereits relativ hoch [2]. Im Gegensatz zu Substanz- und Handykontrollen würden vermehrte Geschwindigkeitskontrollen auch auf geringe Zustimmung in der Bevölkerung stossen [9]. Die 15- bis 24-Jährigen lehnen zusätzliche Geschwindigkeitskontrollen mehrheitlich ab [10].
Die Kontrollstrategie könnte stärker geregelt werden, damit die für die Prävention wichtigen Aspekte bei den Kontrollen gesamtschweizerisch systematischer umgesetzt werden. Der Fokus sollte stärker darauf liegen, die allgemeine Kontrollerwartung zu erhöhen – und damit auch jene der jungen Erwachsenen, statt vorrangig Delinquenten zu überführen.
Fazit
Polizeikontrollen sind ein zentraler Ansatz zur Prävention von Strassenverkehrsunfällen in der Schweiz. Sie tragen massgeblich zur Verkehrssicherheit bei, primär durch ihren abschreckenden Charakter, der bewirkt, dass sich die Verkehrsteilnehmenden, einschliesslich der 18- bis 24-Jährigen, von vornherein regelkonform und sicher verhalten. Damit diese präventive Wirkung erzielt werden kann, muss die Kontrollerwartung sowohl bei jungen Erwachsenen als auch in anderen Altersgruppen möglichst hoch sein.
Quellen
[1] BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung. BFU-Bevölkerungsbefragung 2022: Jährlich wiederkehrende Befragung der Schweizer Wohnbevölkerung zu Themen im Bereich der Nichtberufsunfälle. Bern: BFU; 2022.
[2] Hertach P. Geschwindigkeitskontrollen: Empfehlungen aus Präventionssicht. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2021. Forschung 2.401. DOI:10.13100/BFU.2.401.01.2021.
[3] Achermann Stürmer Y, Meier D. Erhebung 2024: Sicherheit im Strassenverkehr: Einstellungen und Verhalten der Schweizer Bevölkerung. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2024. DOI:10.13100/bfu.2.551.01.2024.
[4] Hertach P, Uhr A, Niemann S. Erhebung 2023: «Roadside Survey Alkohol»: Autofahrten unter Alkoholeinfluss. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2024. DOI:10.13100/bfu.2.529.01.2024.
[5] Arnold LS, Horrey WJ. Effectiveness of distracted driving countermeasures: An expanded and updated review of the scientific and gray Literatures. Washington, DC: AAA Foundation for Traffic Safety FTS; 2022. Research Brief.
[6] Hertach P, Achermann Stürmer Y. Substanzkontrollen bei Motorfahrzeuglenkenden: Empfehlungen aus Präventionssicht. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2021. Forschung 2.402. DOI:10.13100/BFU.2.402.01.2021.
[7] Rothengatter T, Goldenbeld C, Mäkinen T et al. Police enforcement strategies to reduce traffic casualties in Europe. Brussels: ETSC; 1999.
[8] Bundesamt für Strassen ASTRA. Teilstrategie Verkehrssicherheit. Ittigen: ASTRA; 2024 V1.0.
[9] BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung. BFU-Bevölkerungsbefragung 2024: Jährlich wiederkehrende Befragung der Schweizer Wohnbevölkerung zu Themen im Bereich der Nichtberufsunfälle. Bern: BFU; 2024.
[10] Achermann Stürmer Y, Meier D. Erhebung 2022: Sicherheit im Strassenverkehr: Einstellung und Verhalten der Schweizer Bevölkerung. Bern: bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2022. DOI:10.13100/BFU.2.486.01.2022.