Fahrzeugtechnische Eigenschaften als Risikofaktor bei E-Trottinett-Unfällen

Verschiedene technische Eigenschaften von Fahrzeugen können Unfallrisiken bergen. Bei den E-Trottinetten gehören hierzu unter anderem ihre kleinen Räder, die Geschwindigkeit und die schmale Lenkstange.

Ausgangslage

Mit der zunehmenden Verbreitung von E-Trottinetten hat auch die Zahl der E-Trottinett-Unfälle zugenommen [1]. Verschiedene technische Eigenschaften der E-Trottinette sind sicherheitsrelevant und können einen Einfluss auf das Unfall- und Verletzungsrisiko haben.

Zu den wichtigsten sicherheitsrelevanten, technischen Eigenschaften von E-Trottinetten gehören [2,3]:

  • Leistung und Geschwindigkeit
  • Kleine Radgrösse
  • Geometrie der Lenksäule und -stange
  • (Oft) fehlende Richtungsanzeiger
  • Stehende Position der Nutzerinnen und Nutzer
  • Beleuchtung
  • Schmale Silhouette
  • Fast lautloses Motorengeräusch

Verbreitung

E-Trottinette dürfen in der Schweiz nur dann auf den öffentlichen Verkehrsflächen genutzt werden, wenn sie bestimmte technische Anforderungen erfüllen: Sie müssen beispielsweise zwei Bremsen aufweisen, vorne und hinten ein Licht haben, und rein motorbetrieben dürfen sie eine Geschwindigkeit von höchstens 20 km/h erreichen [2] (siehe Hinweis 1).

Allerdings ist davon auszugehen, dass nicht alle im Strassenverkehr genutzten E-Trottinette diese Anforderungen erfüllen. Es kommt beispielsweise immer wieder vor, dass die Polizei E-Trottinett-Fahrende anhält, deren Fahrzeuge zu hohe Geschwindigkeiten erreichen. Zudem können sich auch E-Trottinette, die den technischen Anforderungen entsprechen, in sicherheitsrelevanten Aspekten voneinander unterscheiden (z. B. Grösse der Räder).

Gefährlichkeit

Die Geschwindigkeit ist generell ein wichtiger Risikofaktor im Strassenverkehr: Mit zunehmender Geschwindigkeit steigt das Unfallrisiko und, im Falle eines Unfalls, die Verletzungsschwere [4]. Für E-Trottinette in der Schweiz ist rein motorbetrieben eine Geschwindigkeit von höchstens 20 km/h erlaubt. Damit erreichen E-Trottinette höhere Geschwindigkeiten als beispielsweise konventionelle Trottinette. Die Geschwindigkeit von E-Trottinetten wird von den anderen Verkehrsteilnehmenden zudem wohl oft unterschätzt, was zu Kollisionen führen kann.

Die kleinen Räder der E-Trottinette machen sie anfällig für Unebenheiten im Strassenbelag (z. B. Schlaglöcher) und beim Befahren von Schwellen oder Bordsteinen. Die hohe und fast rechtwinklig zum Rest des Fahrzeugs stehende Lenksäule führt bei einer Kollision mit einem Hindernis zu einer Hebelwirkung und die Lenkenden stürzen über ihr Fahrzeug nach vorne. Auch die schmale Lenkstange wirkt sich negativ auf die Fahrstabilität aus, insbesondere wenn Abbiegemanöver bei nicht vorhandenen Richtungsanzeigern einhändig durchgeführt werden müssen.

Auf den meisten E-Trottinetten stehen die Lenkerinnen und Lenker. Diese Position ist bei Bremsvorgängen und bei Stürzen aufgrund des höheren Schwerpunkts deutlich ungünstiger als eine sitzende Position wie beispielsweise auf dem Velo.

Wegen ihrer schmalen Silhouette besteht die Gefahr, dass E-Trottinett-Lenkerinnen und -Lenker von anderen Verkehrsteilnehmenden übersehen oder zu spät erkannt werden. Weil E-Trottinette zudem fast lautlos unterwegs sind, werden sie von den anderen Verkehrsteilnehmenden oft erst spät bemerkt. Beides kann zu Kollisionen mit anderen Fahrzeugen oder mit Fussgängerinnen und Fussgängern führen.

Weitere sicherheitsrelevante Aspekte sind die Art und Qualität der Bremsanlage (idealerweise kann jedes Rad separat gebremst werden), die Grösse der Stehfläche (soll stabiles Stehen ermöglichen) und die Gestaltung der Beleuchtung (soll ausreichend hell und gut sichtbar platziert sein).

In den USA zeigte ein Vergleich der Produktinformationen zu Leih-E-Trottinetten, dass die heute verfügbaren Geräte in einigen Aspekten sicherer sind als die ersten verfügbaren Modelle [5]. Beispielsweise sind die Räder mittlerweile oft grösser und der Schwerpunkt liegt oft tiefer. Auch bei den Anbietern in der Schweiz scheint es eine Entwicklung in diese Richtung zu geben [6].

Der Einfluss dieser Faktoren auf das Unfall- und Verletzungsrisiko kann nicht differenziert quantifiziert werden. Studien in anderen Ländern zeigen, dass das fahrleistungsbezogene Unfallrisiko mit dem E-Trottinett um den Faktor drei bis zehn höher ist als auf dem Velo [7–9]. Zumindest zum Teil dürfte dies auf die unterschiedlichen Eigenschaften der Fahrzeuge zurückzuführen sein. Andere Faktoren wie tiefere Helmtragquoten oder Tandemfahrten dürften aber ebenfalls eine Rolle spielen.

Unfallrelevanz

Aus den amtlichen Unfallstatistiken der Schweiz ist nicht ersichtlich, wie oft die oben genannten technischen Eigenschaften die Ursache von Unfällen sind. Im Unfallprotokoll existieren zwar einige Unfallursachen, die sich auf das Fahrzeug beziehen, dabei geht es aber vor allem um Mängel am Fahrzeug oder mangelhaften Unterhalt ((siehe Text zu technischen Mängeln)).

Auch wenn die Unfallrelevanz der technischen Eigenschaften von E-Trottinetten auf Basis der offiziellen Unfallstatistik nicht quantifiziert werden kann, ist davon auszugehen, dass die technischen Eigenschaften der E-Trottinette bei den Unfällen eine Rolle spielen.

Hinweise

Zu beachten ist, dass es in der offiziellen Verkehrsunfallstatistik bei E-Trottinett-Unfällen eine hohe Dunkelziffer gibt, insbesondere bei Alleinunfällen und Unfällen mit leichten Verletzungsfolgen. Dies erschwert verallgemeinerbare Aussagen auf Grundlage dieser Statistik.

  1. E-Trottinette werden in der Schweiz der Kategorie der Motorfahrräder zugeordnet, je nach Höchstgeschwindigkeit der Unterkategorie Leicht-Motorfahrräder oder Motorfahrräder. In den Texten zu E-Trottinetten beziehen wir uns auf E-Trottinette der Unterkategorie Leicht-Motorfahrräder. In dieser Kategorie dürfen Fahrzeuge rein motorbetrieben eine Geschwindigkeit von höchstens 20 km/h erreichen.

Quellen

[1] Hertach P, Achermann Stürmer Y, Allenbach R et al. Sinus 2023: Sicherheitsniveau und Unfallgeschehen im Strassenverkehr 2022. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2023. DOI:10.13100/bfu.2.501.01.2023.

[2] Huwiler K. E-Trottinette im Strassenverkehr: eine Übersicht. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2020. Forschung 2.373. DOI:10.13100/BFU.2.373.01.2020.

[3] ITF, Hg. Safer Micromobility: International Transport Forum Policy Paper, No. 129. Paris: OECD Publishing; 2024.

[4] Niemann S. Geschwindigkeit auf Schweizer Strassen: Pilotprojekt zur Erhebung des Geschwindigkeitsverhaltens von Motorfahrzeuglenkenden. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2020. Forschung 2.378. DOI:10.13100/BFU.2.378.01.2020.

[5] Sandt L, Gelinne D, West A et al. E-Scooter Safety: Issues and Solutions. Washington, D.C.: Transportation Research Board; 2023.

[6] E-Trotti-Test 2023. Touring Club Schweiz TCS, Hg; 2023. https://www.tcs.ch/de/testberichte-ratgeber/tests/alle-testberichte/e-scooter-trotti.php#anchor_96a7328f_Accordion-E-Trotti-Test-2023:-Die-Resultate-im-Uebersicht-. 26.06.2024.

[7] Olsson B. E-Scooter safety – Experiences from Denmark: Presentation at ETSC January 2022. European Transport Safety Council ETSC, Hg; 2022. https://etsc.eu/wp-content/uploads/Denmark.pdf. 17.06.2024.

[8] Erste Unfallbilanz für E-Scooter - Was sagen die Zahlen über ihre Sicherheit aus? DLR Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Hg; 2020. https://www.dlr.de/de/aktuelles/nachrichten/2020/03/20200728_erste-unfallbilanz-fuer-e-scooter. 17.06.2024.

[9] Cicchino JB, Kulie PE, McCarthy Melissa L. Injuries related to electric scooter and bicycle use in a Washington, DC, emergency department. Arlington, VA; 2020.

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