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Prävention von Velounfällen: Geschwindigkeitsregimes

Die Fahrgeschwindigkeit hat einen starken Einfluss auf das Unfallgeschehen: je höher die Geschwindigkeit, desto höher das Unfallrisiko und desto grösser die Unfallschwere – auch bei Velounfällen.
  • Einleitung
  • Aktuelle Situation
  • Präventionsnutzen
  • Optimierungspotential
  • Fazit
  • Quellen
  • Einleitung
  • Aktuelle Situation
  • Präventionsnutzen
  • Optimierungspotential
  • Fazit
  • Quellen

Einleitung

Das Geschwindigkeitsregime ist ein zentraler Bestandteil der Sicherheitsstrategie auf Schweizer Strassen. Die gesetzlichen Vorgaben basieren auf dem Strassenverkehrsgesetz (SVG), der Verkehrsregelnverordnung (VRV) sowie der Signalisationsverordnung (SSV) und regeln die maximal zulässigen Geschwindigkeiten je nach Ortslage, Strassentyp und Verkehrssituation. Ziel dieser Bestimmungen ist es, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, den Verkehrsfluss zu optimieren und auch ökologische sowie städteplanerische Aspekte zu berücksichtigen.

Aktuelle Situation

Die in der Schweiz geltenden Geschwindigkeitsbestimmungen sind nach Art. 32 SVG [1], Art. 4/4a VRV [2] sowie Art. 2a und 108 SSV [3] wie folgt festgelegt: 

  • Innerorts gilt in der Regel eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. Einzelne Strassen können mit niedrigeren Geschwindigkeiten in Form von Tempo-30-Strecken oder -Zonen oder Begegnungs- oder Fussgängerzonen ausgewiesen werden, um die Verkehrssicherheit für den Langsamverkehr oder auch die allgemeine Lebensqualität zu erhöhen (z. B. Lärmreduktion). Zwischen der Ortstafel, die den rechtlichen Innerortsteil markiert, und «Generell 50» gilt aufgrund der lockeren Bebauung noch die Ausserortsgeschwindigkeit von 80 km/h.
  • Ausserorts beträgt die Höchstgeschwindigkeit 80 km/h. Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit, Reduktion von Umweltbelastungen oder Verbesserung des Verkehrsflusses können abweichende Höchstgeschwindigkeiten angeordnet werden.

Auf allen Strassen besteht die Problematik, dass Velos im Vergleich zu den motorisierten Verkehrsteilnehmenden mit einer geringeren Geschwindigkeit fahren. Je grösser dieser Geschwindigkeitsunterschied, umso grösser die Wahrscheinlichkeiten für Konflikte und umso schwerer die Verletzungen im Kollisionsfall.

Präventionsnutzen

Bei niedrigerer Geschwindigkeit haben die Fahrzeuglenkenden mehr Zeit für die Informationsverarbeitung und Handlungsentscheidung. Zudem bieten Temporeduktionen aufgrund eines kürzeren Anhaltewegs mehr Reserven bei Gefahren.

Temporeduktionen haben ein grosses Potenzial, die Unfallschwere zu reduzieren. Eine Reduktion der Maximalgeschwindigkeit von beispielsweise 50 auf 30 km/h minimiert die Informationsdichte um 40 %, reduziert den Anhalteweg um 46 % und senkt das Sterberisiko um 84 % [4–6]. Empirische Studien bestätigen diesen Effekt für verschiedene Verkehrsteilnehmergruppen und Ortslagen [7–10].

In der Schweiz belegen Untersuchungen, dass durch eine Reduktion der Höchstgeschwindigkeit auf Innerortsstrassen von 50 auf 30 km/h die Zahl der schweren Unfälle um mindestens ein Drittel sinkt [11]. Eine Metastudie in 40 europäischen Städten zeigte einen signifikanten Einfluss von Tempo 30 auf das Unfallgeschehen, vorwiegend durch eine Reduktion der Verkehrstoten (Spanne von –23 % bis –63 %) und einen Rückgang der Verletzten (–20 % bis –72 %) [12].

Frankreich reduzierte im Juli 2018 die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Landstrassen ohne bauliche Trennung von 90 auf 80 km/h. Es resultierte eine signifikante Senkung des Unfallgeschehens: Die Zahl der Verkehrstoten im ersten Jahr nach der Einführung konnte um 12 % reduziert werden [12]. In Irland wurde Anfang 2025 die Höchstgeschwindigkeit auf Landstrassen von 80 auf 60 km/h reduziert. Das Ausmass der Wirksamkeit wird aber erst in den nächsten Jahren bewertet werden können [13].

Optimierungspotential

Das grösste Optimierungspotenzial liegt in einer möglichst flächendeckenden Umsetzung von baulich getrennten Velowegen, vor allem auf Ausserortsstrassen. Grosse Unterschiede in der Geschwindigkeit zum motorisierten Verkehr können so vermieden werden. Ist dies nicht möglich, stellt eine Temporeduktion eine wirkungsvolle Alternative dar.

Innerorts sollte eine konsequente Umsetzung des bewährten Modells 30/50 erfolgen [11].

Die Umsetzbarkeit solcher Massnahmen ist jedoch politisch geprägt und bedarf einer sorgfältigen Abwägung zwischen Mehrwert für die Verkehrssicherheit, einem reibungslosen Verkehrsablauf und der Akzeptanz der Verkehrsteilnehmenden.

Fazit

Für Velofahrende haben die Geschwindigkeitsunterschiede zum motorisierten Verkehr einen grossen Einfluss auf deren Sicherheit. Die Geschwindigkeitsregulierung in der Schweiz stellt somit ein wesentliches Instrument der Verkehrssicherheit dar. Empirische Studien belegen, dass Temporeduktionen signifikant zur Verringerung von Unfällen und deren Schwere beitragen. Idealerweise wird der Veloverkehr getrennt vom motorisierten Verkehr geführt. Die Umsetzung solcher Massnahmen erfordert allerdings eine sorgfältige Abwägung zwischen Sicherheitsgewinn, Verkehrsfluss und gesellschaftlicher Akzeptanz.

Quellen

[1] Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG; SR 741.01).

[2] Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11).

[3] Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV; SR 741.21).

[4] Berbatovci H. Menschliche Fehler im Strassenverkehr aus psychologischer Sicht. Bern: Beratungsstelle für Unfallverhütung BFU; 2019. Faktenblatt Nr. 22. DOI:10.13100/BFU.

[5] Hussain Q, Feng H, Grzebieta R et al. The relationship between impact speed and the probability of pedestrian fatality during a vehicle-pedestrian crash: A systematic review and meta-analysis. Accid Anal Prev. 2019; 129: 241–249. DOI:10.1016/j.aap.2019.05.033.

[6] Ewert U, Scaramuzza G, Niemann S, Walter E. Der Faktor Geschwindigkeit im motorisierten Strassenverkehr. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2010. Sicherheitsdossier Nr. 06.

[7] Nilsson G. Traffic safety dimensions and the power model to describe the effect of speed on safety. Lund: Lund Institute of Technology LTH; 2004.

[8] Cameron MH, Elvik R. Nilsson's power model connecting speed and road trauma: Applicability by road type and alternative models for urban roads. Accid Anal Prev. 2010; 42(6): 1908–1915. DOI:10.1016/j.aap.2010.05.012.

[9] Murphy P. MA. Quantifying accident risk and severity due to speed from the reaction point to the critical conflict in fatal motorcycle accidents. Loughborough, UK: Loughborough University; 2020 141.2020.105548.

[10] Siregar, M. L., Tjahjono, T., Nahry. Speed change and Traffic Safety Power Model for inter-urban roads with heterogeneous traffic: Universitas Indonesia; 2021 DOI:10.5937/jaes0-29180.

[11] BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung. Mit Tempo 30 die Verkehrssicherheit erhöhen: Fakten und Argumente. Bern: BFU; 2020.

[12] Yannis G, Michelaraki E. Review of City-Wide 30 km/h Speed Limit Benefits in Europe. Sustainability. 2024; 16(11): 4382. DOI:10.3390/su16114382.

[13] John O’ Mahony. Change of Speed Limit on Rural Roads; 2025; Ireland.

[14] Schweizerischer Verband der Strassen- und Verkehrsfachleute VSS. Strassenprojektierung – Entwurf von Hauptverkehrsstrassen innerorts. Zürich: VSS; 2019. VSS 40 303.

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