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Sanktionen zur Prävention von Verkehrsunfällen von jungen Erwachsenen

Sanktionen leisten einen wichtigen Beitrag zur Verkehrssicherheit – vor allem bei den 18- bis 24-Jährigen. Die verschärften Vorschriften für Lenkende in der Probephase entfalten dabei eine besonders präventive Wirkung.
  • Einleitung
  • Aktuelle Situation
  • Präventionsnutzen
  • Optimierungspotential
  • Fazit
  • Quellen
  • Einleitung
  • Aktuelle Situation
  • Präventionsnutzen
  • Optimierungspotential
  • Fazit
  • Quellen

Einleitung

Mit Sanktionen respektive deren Androhung sollen Verkehrsregelverstösse verhindert werden. Die Sanktionen hängen von der Schwere des jeweiligen Verstosses ab. Sie werden in Ordnungsbussen, Administrativmassnahmen (z. B. Führerausweisentzug) und Strafen (Bussen, Geld- oder Freiheitsstrafen) eingeteilt. Die grösste Relevanz für die Strassenverkehrssicherheit – sowohl allgemein als auch bei den 18- bis 24-Jährigen – haben Verstösse im Bereich Geschwindigkeit, Substanzen (Alkohol, Drogen und Medikamente) sowie Ablenkung.

Aktuelle Situation

In der Schweiz ist die Sanktionierung auf Bundesebene im Strassenverkehrsgesetz [1], im Ordnungsbussengesetz [2], im Strafgesetzbuch [3] sowie in verschiedenen Verordnungen (z.B. VTS [4] und VRV [5]) geregelt.

Die Ordnungsbussen sind schweizweit einheitlich mit einer Obergrenze von CHF 300.– geregelt (Art. 1 Abs. 4 OBG [2]). Bezüglich Administrativmassnahmen und Strafen räumen die Rechtsgrundlagen auf Bundesebene den Vollzugsbehörden bzw. Gerichten meist einen gewissen Handlungsspielraum bei der Vergabe der Sanktionshöhe ein, indem darin z. B. nur die Mindestdauer von Freiheitsstrafen oder Führerausweisentzügen festgelegt wird. Für die Vollstreckung dieser Sanktionen sind die kantonalen Behörden verantwortlich.

Am 1. Januar 2005 wurde im Rahmen einer Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes das Kaskadensystem als gestuftes Sanktionsmodell eingeführt [6]. Dies mit dem Ziel, vor allem Wiederholungstäter wirksam zu sanktionieren und dadurch einen Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit zu leisten. Damit konnte eine klare rechtliche Eskalation der Massnahmen gewährleistet werden – also eine Sanktionierung abhängig von Anzahl, Häufigkeit und Schwere früherer Verstösse.

Für junge Verkehrsteilnehmende bestehen keine besonderen Regelungen im Strassenverkehrsrecht. Allerdings gelten für Lenkerinnen und Lenker mit einem Führerausweis auf Probe verschärfte Regelungen bzw. Sanktionen:

  • Wird während der Probezeit eine Widerhandlung begangen, die einen Führerausweisentzug nach sich zieht, so wird die Probezeit im Erstfall um ein Jahr verlängert (Art. 15a Abs. 3 SVG) [7].
  • Erfolgt während der verlängerten Probezeit eine weitere Administrativmassnahme infolge einer schweren oder mittelschweren Widerhandlung, wird der Führerausweis auf Probe annulliert (Art. 15a Abs. 4 SVG) [7].
  • Eine erneute Erteilung eines Lernfahrausweises ist frühestens nach Ablauf einer einjährigen Sperrfrist möglich und setzt zudem das Bestehen einer verkehrspsychologischen Untersuchung voraus (Art. 15a Abs. 5 SVG) [7]. 
  • Während der gesamten Probezeit gilt für Neulenkende ein Alkoholverbot (Art. 2a VRV) [8].

Die in der Schweiz geltenden Sanktionen werden in der Bevölkerung als hart empfunden: In einer im Jahr 2018 durchgeführten Befragung in 20 europäischen Ländern wurden verschiedene Fragen zur empfundenen Härte der Sanktionen bei Alkohol- und Geschwindigkeitsdelikten sowie zur Handynutzung am Steuer gestellt. Dabei erhielten die Fragen, ob die Verkehrsregeln und Sanktionen in den drei Themenbereichen strenger sein sollten, im Vergleich mit anderen Ländern wenig Zustimmung, während die gegenteiligen Fragen, ob die Regeln und Sanktionen als zu hart empfunden werden, vergleichsweise viel Zustimmung fanden [7]. In der Befragung zeigte sich zudem, dass insbesondere junge Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren die geltenden Verkehrsregeln und Sanktionen strenger wahrnehmen als ältere – sowohl in den 20 europäischen Ländern insgesamt als auch in der Schweiz.

Präventionsnutzen

Sanktionen dienen einerseits dem Zweck, alle Strassenverkehrsteilnehmenden durch die Androhung der Sanktion von vornherein davon abzuhalten, einen Verstoss überhaupt zu begehen (Generalprävention). Andererseits sollen sie Delinquenten von einer Wiederholung des Verstosses abhalten (Spezialprävention) [9].

Zahlreiche Studien bestätigen den positiven Effekt einer ausgewogenen Kombination von Überwachung (Polizeikontrollen) und Sanktionen auf die Verkehrssicherheit [9–12]. Dabei sollte die Höhe der Sanktion der Schwere des Verstosses entsprechen und so «schmerzhaft» sein, dass sie unerwünschtes Verhalten verhindert [9]. In diesem Zusammenhang ergab eine Evaluation der Zweiphasenausbildung in der Schweiz, dass Sanktionsandrohung während der Probephase Wirkung zeigt und damit einen nachweislichen Beitrag zur Verkehrssicherheit leistet [13].

Die Evidenz zeigt, dass sich in den Bereichen Geschwindigkeit und Sicherheitsgurt eine Erhöhung der Sanktionen (Ordnungsbussen) positiv auf das Verhalten der Verkehrsteilnehmenden auswirken kann [9]. Beim Fahren unter Alkoholeinfluss ist dieser Effekt weniger eindeutig. Dies wird allerdings unter anderem mit einer zu tiefen subjektiven Kontrollerwartung erklärt. Neben der Höhe der Sanktion und der Erwartung, tatsächlich kontrolliert und sanktioniert zu werden, spielt auch die Geschwindigkeit des Sanktionsvollzugs eine Rolle [9]. Nicht zuletzt muss die Sanktion oder deren Verschärfung in der Bevölkerung bzw. bei potenziellen Delinquenten bekannt sein, um einen präventiven Nutzen zu entfalten [11].

In Bezug auf verschiedene Arten der Sanktionierung belegen Untersuchungen, dass der (befristete) Entzug des Führerausweises eine wirksame Sanktionierung im Strassenverkehr ist [14]. Die Unfall- und Deliktrate bzw. die Rückfallwahrscheinlichkeit lassen sich damit deutlich besser reduzieren als mit anderen Sanktionierungsmassnahmen (z. B. Warnbriefe, Gruppen- oder Einzelmeetings, Bewährung, Punktabzüge) [15–17]. Die Wirksamkeit von Freiheitsstrafen (ohne weitere rehabilitative Massnahmen) hingegen ist beschränkt [14].

Optimierungspotential

Die geltenden Sanktionen sind grundsätzlich im Sinne der Prävention, gerade weil sie von der Bevölkerung als hart empfunden werden. Im Rahmen der regelmässigen Revisionen der Gesetze und Verordnungen gilt es sicherzustellen, dass keine Abschwächungen vorgenommen werden und die Neuerungen nicht sicherheitsabträglich sind. Auch wenn kein grosser Anpassungsbedarf besteht, existieren punktuelle Optimierungsmöglichkeiten.

Eine Erhöhung der Ordnungsbussen könnte einen gewissen Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit leisten. Konkret sollte aufgrund des stark erhöhten Unfallrisikos beziehungsweise der hohen Fremdgefährdung das Telefonieren mit dem Handy in der Hand deutlich stärker gebüsst werden. Heute droht den Lenkenden von Motorfahrzeugen eine Ordnungsbusse von CHF 100.– bei der Nutzung eines Telefons ohne Freisprecheinrichtung am Steuer (Anhang 1 OBV [18]). Eine deutliche Erhöhung, zum Beispiel auf CHF 300.– (Obergrenze für Ordnungsbussen), wäre hier aus Präventionssicht gerechtfertigt. Eine solche Sanktionsverschärfung hätte auch für die Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen potenziell eine präventive Wirkung, da diese laut Bevölkerungsbefragungen überdurchschnittlich häufig während der Autofahrt mit dem Mobiltelefon in der Hand telefonieren [19].

Ausserdem könnte die Einführung weiterer Restriktionen in der Probephase – insbesondere Nachtfahrt- und Passagierrestriktionen – einen positiven Effekt auf die Verkehrssicherheit junger Neulenkender haben [20–22]. Zuerst müssten allerdings mögliche Nebeneffekte dieser Massnahme geklärt werden.

Fazit

Sanktionen im Strassenverkehr leisten einen wesentlichen Beitrag zur Verkehrssicherheit. Die geltenden Regelungen in der Schweiz zeichnen sich durch ein gestuftes und vergleichsweise strenges Sanktionssystem aus, das von der Bevölkerung als eher hart wahrgenommen wird – insbesondere von jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 24 Jahren. Für Neulenkende gelten darüber hinaus verschärfte Vorschriften, welche die erhöhte Gefährdung dieser Gruppe adressieren. Weitere Massnahmen wie z. B. Verbot des Mitführens junger Passagiere in Wochenendnächten (ausser in Anwesenheit einer mindestens 25-jährigen Person) könnten im Rahmen zukünftiger Präventionsmassnahmen zur Diskussion stehen. Studien belegen die Wirksamkeit von Sanktionen, insbesondere von Führerausweisentzügen. Gleichzeitig zeigt sich, dass die präventive Wirkung nicht allein von der Höhe der Sanktion, sondern auch von deren Bekanntheit, der Kontrollwahrscheinlichkeit sowie der Geschwindigkeit des Vollzugs abhängt.

Quellen

[1] Schweizerische Eidgenossenschaft. Strassenverkehrsgesetz (SVG) vom 19. Dezember 1958. Stand 2020.: SR 741.01.

[2] Schweizerische Eidgenossenschaft. Ordnungsbussengesetz (OBG) vom 18. März 2016: OBG: SR 314.1.

[3] Schweizerische Eidgenossenschaft. Schweizerisches Strafgesetzbuch (StGB) vom 21. Dezember 1937: StGB: SR 311.0.

[4] Schweizerische Eidgenossenschaft. Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge (VTS) vom 19. Juni 1995: VTS: SR 741.41.

[5] Schweizerische Eidgenossenschaft. Verkehrsregelnverordnung (VRV) vom 13. November 1962: SR 741.11.

[6] Bundesamt für Strassen ASTRA. Via sicura: Handlungsprogramm des Bundes für mehr Sicherheit im Strassenverkehr. Bern; 2005.

[7] Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG; SR 741.01).

[8] Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11).

[9] Institute for Road Safety Research SWOV. Penalties in traffic. The Hague, NL: SWOV; 2013. SWOV Fact sheet.

[10] Hautzinger H, Manssen G, Schlag B et al. Regelverstösse im Strassenverkehr: Häufigkeit – Schadenfolgen – Sanktionierung – Prävention. Berlin: Unfallforschung der Versicherer UDV; 2011. Forschungsbericht GDV VV 05.

[11] Siegrist S. Sanktionen zur Bekämpfung der Verkehrsdelinquenz: Welche Rolle spielen sie und welche sind wirksam?: Sonderdruck. In: Schaffhauser R, Hg. Jahrbuch zum Strassenverkehrsrecht 2008. St. Gallen: Universität St. Gallen; 2008: 45-70. Schriftenreihe des Instituts für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis Band 56.

[12] Hertach P, Achermann Stürmer Y. Substanzkontrollen bei Motorfahrzeuglenkenden: Empfehlungen aus Präventionssicht. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2021. Forschung 2.402. DOI:10.13100/BFU.2.402.01.2021.

[13] Cavegn M, Walter E, Scaramuzza G et al. Evaluation der Zweiphasenausbildung. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2013. bfu-Report 68.

[14] Walter E, Achermann Stürmer Y, Ewert U et al. Personenwagen-Lenkende und -Mitfahrende. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2015. Sicherheitsdossier Nr. 13.

[15] Masten SV, Peck RC. Problem driver remediation: A meta-analysis of the driver improvement literatur. J Safety Res. 2004; 35(4): 403-425. DOI:10.1016/j.jsr.2004.06.002.

[16] Mann RE, Vingilis ER, Gavin D et al. Sentence severity and the drinking driver: Relationships with traffic safety outcome. Accid Anal Prev. 1991; 23(6): 483-491. DOI:10.1016/0001-4575(91)90014-V.

[17] McKnight AJ, Voas RB. The effect of license suspension upon DWI recidivism. Alcohol Drugs Driving. 1991; 7(1): 43–54.

[18] Schweizerische Eidgenossenschaft. Ordnungsbussenverordnung (OVB) vom 16. Januar 2019: SR 314.11.

[19] Achermann Stürmer Y, Meier D. Erhebung 2023: Sicherheit im Strassenverkehr: Einstellung und Verhalten der Schweizer Bevölkerung. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2023. DOI:10.13100/bfu.2.512.01.2023.

[20] Bevan Kirley, Kristel Robison, Arthur Goodwin et al. Countermeasures That Work: A Highway Safety Countermeasure Guide for State Highway Safety Offices. 11th Edition: National Highway Traffic Safety Administration NHTSA; 2023.

[21] Ohnmacht T, Mahrer M, Frey M et al. Massnahmen und Potenziale im Bereich Verkehrsteilnehmende: Forschungspaket VeSPA – Teilprojekt 1-M. Bern: Bundesamt für Strassen ASTRA; 2016. Forschungsbericht ASTRA 1591.

[22] Hertach P, Uhr A, Ewert U et al. Sicherheit von jungen Erwachsenen im Strassenverkehr. Bern: BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2019. Sicherheitsdossier Nr. 18. DOI:10.13100/bfu.2.349.01.

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